zum Hauptinhalt
In Sicherheit: Das gilt für flüchtende Frauen - hier in einer Münchner Zeltunterkunft im Herbst 2014 - nur bedingt.
© Tobias Hase/dpa

Frauen als Flüchtlinge: Schutzlos in einem sicheren Land

Auch wer es nach Deutschland geschafft hat, ist nicht sicher. Gerade weibliche Flüchtlinge sind oft Gewalt ausgesetzt - nicht zuletzt in Asylbewerberheimen.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte prangert mangelhaften Schutz für Frauen an, die nach Deutschland geflohen sind. Seit etwa 15 Jahren gelte unter anderem das Gewaltschutzgesetz; es werde aber nicht für alle umgesetzt, die es brauchten, heißt es in einem Policy Paper unter dem Titel „Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – auch in Flüchtlingsunterkünften“. Dazu gehörten nicht zuletzt Asylbewerberinnen, schreibt die Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut (Dimr), Heike Rabe, in ihrer in dieser Woche erschienenen Analyse.

Unterkünfte "von Männern dominiert"

Gerade die Lage von Frauen im Asylverfahren sei aber besonders heikel, schreibt Rabe. Zirka dreißig Prozent der Anträge auf Asyl stellten derzeit Frauen und Mädchen, was bedeute, dass „die Unterkünfte allein quantitativ von Männern dominiert werden“. Rückzugsräume für Frauen gebe es dennoch praktisch nicht in einer Situation, in der die Privatsphäre ohnedies und für alle stark eingeschränkt sei – etwa durch Überfüllung der Heime oder dadurch, dass deren Mitarbeiter Generalschlüssel zu allen Zimmern hätten. Duschen und Waschräume seien nicht abschließbar und vor allem alleinstehende Frauen daher sexueller Belästigung ausgesetzt. Gewalt habe ein sehr hoher Anteil von geflohenen Frauen erfahren, schreibt Rabe unter Verweis auf die Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ von 2004. Damals habe ein Viertel (25 Prozent) der Befragten angegeben, dass sie sexueller Gewalt zum Opfer gefallen waren, 51 Prozent nannten körperliche und sogar 79 Prozent psychische Gewalt – wobei die Gewalttäter, auch -täterinnen, die eigenen Partner, andere Flüchtlinge oder Personal der Unterkünfte und auch Fremde waren.

Wenig Daten zur Lage von Frauen

Die ohnehin nicht mehr frischen Zahlen beruhten, so die Studie, allerdings nur auf einer Stichprobe und seien nicht repräsentativ. „Über das Ausmaß von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen in Unterkünften für Asylsuchende und Geduldete in Deutschland gibt es bisher kaum Forschung.“ Tatsächlich enthält auch eine Studie des wissenschaftlich sehr aktiven „Bundesamts für Migration und Flüchtlinge“ zum Thema praktisch keinen Hinweis auf die Lage von Frauen. Die Bestandsaufnahme „Die Organisation der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern in Deutschland“ von Oktober 2013, die das Amt für eine europaweite Untersuchung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen beisteuerte, enthält praktisch keinen Hinweis auf die Lage von Frauen.

Im Papier des Dimr sind neben der Rechtslage Fragebögen ausgewertet worden, die das Institut selbst in diesem Jahr an die Innen- und Integrationsministerien der Länder geschickt hat. Außerdem hatte das DIMR mit zwanzig auf dem Feld tätigen Rechtsanwältinnen qualitative Interviews geführt.

Täter ist nicht ohne weiteres von seinem Opfer zu trennen

Neben der Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, sind aus Sicht des Instituts auch die rechtliche Lage der Frauen und die Möglichkeiten, sich gegen Gewalt zur Wehr zu setzen, in vieler Hinsicht schwach bis sehr schlecht. Wenn eine Frau zum Beispiel keine eigenen Fluchtgründe nannte, weil sie sich schämte zu offenbaren, dass ihr sexuelle Gewalt angetan wurde, hängt ihr Asyl an den Asylgründen ihres Ehemanns – und damit am Bestand der Ehe, auch wenn ihr Mann sie prügelt. Während eine Frau in Deutschland üblicherweise erreichen könne, dass die Polizei ihren gewalttätigen Partner aus der Wohnung entfernt, sei das bei Flüchtlingen nicht ohne Weiteres möglich. Die Lebensumstände von Asylsuchenden und Geduldeten in Flüchtlingseinrichtungen entsprächen eben „gerade nicht dem ,Normalfall‘ “, heißt es in der Studie. Oft verhindern aufenthaltsrechtliche Vorschriften, dass die Täter den Tatort verlassen. Wenn dagegen die Frauen anderswo Schutz bekommen könnten, dauerten die Behördenvorgänge viel zu lange, bis sie die zugewiesene Stadt oder das Heim verlassen dürften.

Auch Homosexuelle brauchten mehr Schutz

Es brauche daher eine „Anpassung der Behördenabläufe an diese Gruppe“, fordert die Studie. Der Verzicht auf bestimmte Vorschriften des Aufenthaltsrechts könne eine der möglichen Lösungen sein. Zudem müsse geschlechtsspezifische Gewalt als besonderer Schutzgrund in die Dienstanweisungen und Vorschriften des Bamf und in die Gesetze geschrieben werden.

Die Autorin der Studie bedauert, dass sie nur „erste Schlaglichter auf ein relativ unbearbeitetes Feld“ werfen und weder die Lage von Kindern noch die von Homo-, Trans- und Intersexuellen (LSBTI) einbeziehen könne, die spezifischer Gewalt ausgesetzt seien. Wegen der aktuellen Belastung der Behörden durch viele Asylsuchende sei die Diskussion derzeit viel zu stark verengt auf Unterbringungsprobleme und Kosten.

Zur Startseite