SPD-Kanzlerkandidat: Schulz konkretisiert Wahlprogramm und attackiert die Union
Der SPD-Chef und Kanzlerkandidat präsentiert den "Zukunftsplan" seiner Partei. Martin Schulz setzt sich dabei klar von Kanzlerin Merkel ab.
Zehn Wochen vor der Bundestagswahl geht SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erneut in die Offensive und will mit einem Zehn-Punkte-Plan aus dem anhaltenden Umfragetief heraus. In seinem am Sonntag in Berlin vorgelegten „Zukunftsplan“ für Deutschland macht sich der SPD-Chef unter anderem für eine Investitionsverpflichtung des Staates stark sowie für eine Innovationsallianz der Industrie und eine Bildungsoffensive.
„Ich möchte ein Kanzler sein, der Probleme anpackt“, sagte Schulz, der mit seiner Partei in Umfragen weit hinter der Union liegt. Mit den „zehn Projekten für ein modernes Deutschland“ hofft Schulz, Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in die Enge zu treiben. Bei der Vorlage des 19-seitigen Papiers sagte der SPD-Chef, während Merkel zur Zukunft des Landes wenig sage, wolle er umso konkreter werden: „Mir jedenfalls ist es wichtig, dass die Bürger eine echte Wahl haben. Ich bin mir sicher, Deutschland kann mehr.“
Er wolle kein Regierungschef sein, der sich in der Bildungspolitik vor Reformen wegducke. „Wir werden der bildungspolitischen Kleinstaaterei ein Ende machen“, betonte Schulz. Die SPD regiert seit Jahrzehnten in einem Großteil der 16 Bundesländer, die für die Bildungspolitik verantwortlich sind. Schulz kündigte an, falls er Kanzler werde, wolle er in den ersten 50 Tagen eine „Bildungsallianz“ schmieden. Ein Kanzler könne zwar keine Bildungspolitik diktieren, aber Deutschland müsse sich höhere Ziele setzen als bisher.
"Mindestdrehzahl" für Investitionen
Im Falle einer Regierungsübernahme im Herbst will die SPD zudem eine Investitionsverpflichtung des Staates einführen. Im Grundgesetz sei zwar eine Schuldenbremse verankert als Obergrenze für Haushaltsdefizite, aber keine Vorgabe für Ausgaben. Daher will die SPD als Ergänzung zur Schuldenbremse eine „Mindestdrehzahl“ für Investitionen in der mittelfristigen Finanzplanung verankern. „Der Staat - und das ist richtig - darf keine unzulässigen Defizite machen“, sagte Schulz. „Dann muss er aber auch, wenn wir das festschreiben, sein Geld nach einer verbindlichen Vorgabe für die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur einsetzen.“
Die SPD will zudem eine aktive Industriepolitik betreiben und eine „Innovationsallianz“ für die deutsche Industrie schließen. Die Automobilindustrie solle in der „Bewältigung des Strukturwandels“ unterstützt werden. Aufgelegt werden soll ein Digitalisierungsfonds, der vor allem Mittelstand und Handwerk helfen soll.
Den Gang zum Bürgeramt will Schulz durch ein digitales „Deutschlandportal“ unnötig machen, das zügig aufgebaut werden soll. „Ich will, dass der Staat online geht - und zwar 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche“, sagte er. „Und ich füge hinzu: Nicht in ferner Zukunft, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre als eine zentrale Aufgabe der nächsten Wahlperiode.“ Einen Portalverbund, über den Nutzer auf Online-Anwendungen der öffentlichen Verwaltung zugreifen können, haben Bund und Länder bereits vereinbart.
Kritik an Tauber-Äußerung zu Minijobs
Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warf der SPD-Chef vor, mit Alleingängen in der Flüchtlings- und Finanzpolitik Europa geschwächt zu haben. Merkel lasse ein ehrliches Bekenntnis zu Europa vermissen. Die Verabredungen der Kanzlerin mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätten ein Verfallsdatum - den Zeitpunkt der Vorlage des „Bayernplans“ (Wahlprogramm) der CSU, in dem alles Trennende der Union stehen werde.
Es sei ein „ausgewachsener Skandal“, wie Merkel Europa-Politik mache, sagte Schulz weiter. Merkel argumentiere nach dem Motto: „Wir haben große Dinge mit Europa vor, aber was ich vorhabe, das sage ich erst nach der Wahl.“ Schulz kündigte an, falls er Kanzler werde, wolle er sich für eine solidarische Flüchtlingspolitik einsetzen. Wer als EU-Staat die Aufnahme von Flüchtlingen verweigert, soll finanzielle Nachteile zu spüren bekommen.
Schulz nahm auch erneut Anstoß an der Äußerung von CDU-Generalsekretär Peter Tauber über Minijobber. Diese "drückt die elitäre und zynische Haltung seiner Partei aus", sagte der SPD-Kanzlerkandidat.
Tauber hatte Anfang des Monats mit einem Beitrag bei Twitter eine Empörungswelle im Netz ausgelöst. Vor dem Hintergrund des Vollbechäftigungsversprechen der Union hatte ein Twitter-Nutzer geschrieben: "Heißt das jetzt drei Minijobs für mich?" Darauf antwortete Tauber: "Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs." Später entschuldigte er sich dafür. (dpa, AFP)