Sigmar Gabriel übertönt Martin Schulz: Wer hat in der SPD eigentlich das Sagen?
Außenminister Sigmar Gabriel verhält sich weiter wie der SPD-Chef. Ob er damit der Partei dient? Ein Kommentar.
In der SPD ist der Teufel los. Diejenigen, die sauer sind, sagen es natürlich nicht laut, weil gerade Wahlkampf ist. Aber sie sind auch so vernehmbar: Wer hat eigentlich in der Partei das Sagen? Diese Frage zu stellen, bedeutet, eine erste Antwort zu geben: offenbar nicht der Parteivorsitzende. 100 Prozent stehen jedenfalls zur Zeit nicht hinter Martin Schulz.
Dass es so weit kommen konnte, hat viel mit seinem Vorgänger zu tun, mit Sigmar Gabriel. Etliche Genossen haben den verschärften Eindruck, dass er sich ganz und gar nicht lösen kann davon, den Ton anzugeben, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Siehe den Artikel auf spd.de: Da schreibt Gabriel, der doch jetzt eigentlich (nur noch) Außenminister ist, in einer Weise über die Kanzlerin, die CDU und das Gewese in Hamburg, dass einem die Augen übergehen: Das ist Pathos pur und hammerhart gegen die Union in der Koalition. Wer so etwas schreibt, zeigt seine Selbstsicht und seine Absicht. Denn Tatsache ist: Eigentlich kommt derartige Fundamentalkritik nur dem Parteichef zu.
Gabriel hätte es auch nicht viel anders gemacht
Wenn überhaupt. Denn sie ist viel zu hart. Umgekehrt nämlich würde es die SPD, würde es gerade Gabriel politisch nicht viel anders gemacht haben. Im vorletzten Absatz wird daher das Eigentliche deutlich: der Versuch, vom fatalen Eindruck wegzukommen, dass schon im Vorwege zum G-20-Gipfel jede Solidarität mit Bürgermeister Olaf Scholz abhandengekommen sei. Das war, als Gabriel – mit Schulz, den er allerdings dazu gedrängt haben soll – erklärte, solche Gipfel gehörten nicht nach Hamburg, sondern nach New York.
Gabriels Angriff auf Merkel wirkt darum, als diene er vor allem der Verteidigung. Was an den Gabriel erinnert, den sie in der SPD- Spitze kennen: Fühlt er sich ertappt, bollert er los. Ein Mann des Widerspruchs und der Widersprüche. Einerseits eine Verbrüderung mit Gipfel-Kritikern, andererseits ein Verhalten, dass ihm die Kanzlerin danken kann, den Gipfel zum Erfolg gemacht zu haben. Ein bisschen wie damals: einerseits für den Grexit, um dann, als der Wind sich dreht, gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu wettern.
Eine „dienende“ Funktion im Wahlkampf, wie sie ihm öffentlich und intern abverlangt worden ist, fällt Gabriel schwer. Zumal er denkt, dass er Politik kann, besser kann. Und genau jetzt, da er immer beliebter wird, soll er sich zurücknehmen? Wenn die Antwort „Ja“ lautet, bleibt doch die Frage, wer ihm das so sagen kann, dass er versteht.