Angebliche E-Mail: Schrieb Weidel über „Buergerkriege durch Ueberfremdung“?
Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel soll in einer E-Mail rassistische und demokratieverachtende Thesen geäußert haben. Das berichtet die „Welt am Sonntag“ - die AfD dementiert.
Es war nur ein kurzer Moment auf dem Bundesparteitag der AfD im April. Aber einer, der nachwirkte. Warf er doch die Frage auf, ob man die Ökonomin Alice Weidel bislang richtig eingeschätzt hatte. Da stand die frisch gekürte Spitzenkandidatin in schwarzem Blazer auf der Bühne, die Frau, die bislang als die Wirtschafsliberale, die Bürgerliche, die Gemäßigte gegolten hatte, und rief mit Verachtung in der Stimme: „Die politische Korrektheit“ - kurze Kunstpause - „gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!“ Der Jubel unter den Anhängern war groß.
Hatte sich die 38-Jährige radikalisiert? Hatte sie sich angepasst an die nach rechts rückende Mitgliederschaft der Partei? Eine E-Mail, aus der die „Welt am Sonntag“ (Wams) zitiert, legt den Schluss nahe, dass Weidel nie gemäßigt war. Die E-Mail stammt von Februar 2013, da gab es die AfD noch nicht, aber ihre Vorläuferorganisation, die Wahlalternative 2013, in der Weidel sich engagierte.
Damals schrieb sie der „Wams“ zufolge einem Bekannten, dass die Regierenden durch eine Überschwemmung mit „kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma“ systematisch die bürgerliche Gesellschaft zerstörten. „Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK“. Sie hätten die Aufgabe, das deutsche Volk „klein zu halten indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen“. Weiter, so das Blatt, habe Weidel in der E-Mail kritisiert, dass Deutschland nicht souverän und die Justiz bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht korrumpiert sei.
Unter der E-Mail: Weidels Spitzname "Lille"
Die AfD bestreitet die Echtheit der E-Mail. Sprecher Christian Lüth erklärte, Weidel habe ihm versichert, dass diese nicht von ihr stamme. Die E-Mail sei eine Fälschung. Auf Twitter schrieb er: „Das sind Fakenews, um die AfD aus dem Bundestag zu halten.“ Die „Wams“ gibt jedoch an, ihr lägen eine eidesstattliche Versicherung sowie weitere Aussagen vor, die die Urheberschaft Weidels belegten. So hätte der Empfänger der Mail als Indiz für die Echtheit angeführt, dass sich die Mail in der Betreffzeile auf ein Gespräch mit ihm beziehe und mit „Lille“ unterzeichnet sei, ein früherer Spitzname Weidels.
Sollte die E-Mail von Weidel stammen, wäre sie ein vielsagender Einblick in ihre Gedankenwelt. Nicht nur, dass sie sich dann völkischen Vokabulars wie dem der „Überfremdung" bedient hätte. Sie hinge auch der Verschwörungstheorie an, Deutschlands Politiker seien den alliierten Siegermächten hörig und Deutschland sei kein souveräner Staat. Diese Auffassung findet sich auch bei den vom Verfassungsschutz beobachteten Reichsbürgern. Und nicht zuletzt weisen die Worte in der E-Mail auf eine rassistische Ideologie hin, die eine kulturelle Reinhaltung der Völker propagiert.
Weidel nannte Aydan Özoguz einen "Schandfleck"
Auf den ersten Blick mag das nicht zu Weidel passen. Die Ökonomin ist viel herumgekommen, hat jahrelang in China gelebt. Ihre Lebenspartnerin ist eine in Sri Lanka geborene Frau, mit der sie zwei Kinder großzieht. Und sie war eine derjenigen, die vehement den Parteiausschluss Björn Höckes nach dessen umstrittener Dresdner Rede vorangetrieben hatten.
Auf der anderen Seite scheint Weidel den Islam zu verabscheuen. In einem Interview mit dem Tagesspiegel im Mai forderte sie, das Kopftuch aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Im Juli verwendete sie dann bei Facebook das Wort des Schuldkults, das oft von Rechtsextremen im Zusammenhang mit dem Holocaust-Gedenken verwendet wird. Im Juli bezeichnete sie Angela Merkel als „Extremismuskanzlerin“. Ende August nannte Weidel die Integrationsbeauftragte der Regierung Aydan Özoguz einen „Schandfleck“ - kurz nach der rassistischen Entgleisung ihres Ko-Spitzenkandidaten Alexander Gauland, zu der jetzt die Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen Volksverhetzung ermittelt.
Wer all das beobachtete, konnte sich fragen: Tut Weidel das, um sich beim „Flügel“ beliebt zu machen, dem völkisch-nationalistischen Netzwerk Björn Höckes? Das hatte ihr im April mitunter zur Spitzenkandidatur verholfen. Doch wenn die jetzt zitierte Mail von ihr stammt, müsste die Antwort eher lauten: Nein, Alice Weidel denkt wirklich so. Und wohl noch viel drastischer.
Maria Fiedler