Kritik von allen politischen Gegnern: Scholz glaubt, dass Laschets 100-Tage-Plan „nicht hilft“
Die konkurrierenden Parteien der Union haben Kanzlerkandidat Laschet für sein 100-Tage-Programm kritisiert. Die Grünen nennen es ein „Sofortprogrämmchen“.
Das CDU-„Sofortprogramm“ für den Fall eines Siegs bei der Bundestagswahl ist aus Sicht von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit heißer Nadel gestrickt. „Ich glaube, dass es nicht hilft, wenn jetzt jeden Tag neue hektische Programme vorgestellt werden“, sagte Scholz am Montag. „Es geht um eine große Zukunft für unser Land, das kann man sich nicht mal nebenbei ausdenken.“
Auf den Inhalt des CDU-Papiers ging der Kanzlerkandidat, der mit seiner SPD die Union in den Umfragen überflügelt hat, nicht ein. Stattdessen kritisierte Scholz die Sozialpolitik der Union: „CDU/CSU wollen keinen besseren Lohn für Leute, die wenig verdienen. Sie sind gegen den Mindestlohn. Und sie sind gegen ein stabiles Rentenniveau, das wollen sie nicht garantieren.“ Das sei auch bei dem TV-Triell am Sonntagabend deutlich geworden.
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Zuvor hatte bereits Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner scharfe Kritik an dem 100-Tage-Programm des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geübt. "Dem Sofortprogrämmchen von Armin Laschet fehlt der Plan, wie er die Klimaziele erreichen will", sagte Kellner am Montag.
Es solle "weitergehen wie bisher". In dem Programm fehlten "entschiedene Maßnahmen, um die Erneuerbaren auszubauen oder aus der Kohle auszusteigen oder um die Transformation der sozial-ökologischen Gesellschaft zu schaffen". Das sei "eine große Leerstelle", kritisierte Kellner.
Laschet hatte sein "Sofortprogramm" am Montagvormittag vorgestellt. Das zuvor von den Parteigremien verabschiedete Programm verspricht insbesondere Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen sowie Familien und den Abbau von Bürokratie für Unternehmen.
Unter der Überschrift "Klimaschutzpaket" wird als Ziel genannt, "dass Investitionen in Klimatechnologien und Energieeffizienz zur CO2-Reduktion steuerlich besser abgesetzt werden können". Hauseigentümer sollen von der Förderbank KfW zinslose Darlehen für Solaranlagen auf Dächern erhalten.
SPD-Chefin Saskia Esken hat Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet Defizite bei sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz vorgeworfen. "Respekt für Arbeit scheint für die CDU keine Rolle zu spielen", sagte Esken nach Beratungen der SPD-Parteigremien am Montag in Berlin mit Blick auf die Auftritte Laschets beim TV-Triell am Sonntagabend sowie nach der Vorstellung von dessen "Sofortprogramm" für eine CDU-geführte Bundesregierung.
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Esken verwies zur Begründung unter anderem auf das Nein Laschets zu einer Erhöhung des Mindestlohns und darauf, dass der CDU-Chef "keinen Plan für die Stabilität der Renten" habe. Zudem wolle Laschet "den Stopp der Klimakrise der Wirtschaft überlassen", kritisierte die Parteivorsitzende. Die SPD sorge dagegen für "stabile Renten und bezahlbares Wohnen", wolle Kinderarmut bekämpfen und "den Staat zu einem starken Akteur im Kampf gegen den Klimawandel machen", hob sie weiter hervor.
Sympathien ließ Esken für den Fall eines Wahlerfolgs der SPD für eine Zusammenarbeit mit den Grünen erkennen. "Die Grünen gehören in Deutschland zum Spektrum der progressiven Parteien", es gebe mit der SPD "nicht unerhebliche programmatische Übereinstimmungen", sagte die SPD-Chefin. Vorrangiges Ziel der Sozialdemokraten bleibe es aber, "dass Olaf Scholz Bundeskanzler wird" und dass "CDU und CSU auf den Oppositionsbänken Platz nehmen.
FDP-Chef Christian Lindner fand, das Sofortprogramm beinhalte vieles, "was uns sympathisch vorkommt". Allerdings sei es "nur eine Kopie des FDP-Programms" und "weniger ambitioniert".
Die Linkspartei kritisierte, dass Laschets Sofortprogramm beim Thema Wohnen über hohe Freibeträge vor allem Eigentum fördere. Dies sei "überhaupt keine Lösung für die Mieterinnen und Mieter", sagte Linken-Parteichefin Janine Wissler.
Ökonom warnt vor großen Löchern im Staatshaushalt
Das CDU-"Sofortprogramm" für den Fall eines Sieges von Laschet bei der Bundestagswahl am 26. September würde einem Ökonomen zufolge große Löcher in den Staatshaushalt reißen. Es enthalte eine Reihe teurer Versprechen - von der Deckelung des Eigenbeitrags in der Pflege bis zur Kostenübernahme der Meisterausbildung, sagte der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Jens Südekum, am Montag.
Gleichzeitig würden Steuerentlastungen in Aussicht gestellt, etwa durch eine Erhöhung des Kinderfreibetrages. "Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist völlig unklar", sagte Südekum, der Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ist. "Es wird zu Haushaltslöchern im zweistelligen Milliardenbereich kommen. Diese allein durch Wirtschaftswachstum auffangen zu wollen, ist nicht realistisch.
Somit müsse die Union offen sagen, dass sie auch in den kommenden Jahren auf höhere Schulden setze. Das wäre in der momentanen Marktlage mit Negativzinsen durchaus vertretbar, werde aber bislang von der Union strikt abgelehnt. "Wenn ihr Sofortprogramm realistisch sein soll, muss die Union ihre Position zur Schuldenbremse überdenken", sagte Südekum.
Beim zentralen Thema Klimaschutz überzeuge das Sofortprogramm zudem nicht. "Zinsgünstige KfW-Kredite für Solardächer werden für die Erreichung der Klimaziele nicht reichen, zumal wenn gleichzeitig die Pendlerpauschale erhöht werden soll", sagte der Ökonom. (AFP, Reuters, dpa)