zum Hauptinhalt
Wieder dabei: Silvio Berlusconi kann nicht gewählt werden - aber seine Partei.
© Mario Romano/imago/Italy Photo Press

Berlusconi mischt wieder mit: Schicksalswahl in Italien: Geld oder Aufschwung

46 Millionen Italienerinnen und Italiener dürfen am Sonntag wählen. Die bisherige Opposition verspricht das Blaue vom Himmel. Doch die Zukunft ist ungewiss.

An den meisten der mehr als 60.000 Wahllokale in Italien haben sich am Sonntag lange Schlangen gebildet – doch der Grund war nicht etwa eine unerwartet hohe Beteiligung, sondern die Wahlzettel waren mit einer neuen Art Sicherheitscoupon gegen Wahlbetrug versehen, der dann im Lokal abgerissen und aufbewahrt werden musste. Das hat einige offenbar überfordert.

Ex-Premier Silvio Berlusconi, der in seinem Mailänder Wahllokal von einer „Femen“-Radikalfeministin mit nacktem Oberkörper empfangen wurde, äußerte die Befürchtung, dass schlimmstenfalls nicht alle Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen abgeben könnten.

Die Probleme bei der Stimmabgabe passen gut zu einer Parlamentswahl, bei der für Italien viel auf dem Spiel steht. Die Plakatwände waren zwar weitgehend leer geblieben, es gab kein TV-Duell der wichtigsten Kandidaten und stattdessen bloß monotone Wahlkampfauftritte auf halbleeren Plätzen. Die großen Probleme des Landes – voran die enorme Staatsverschuldung – blieben unthematisiert. Stattdessen wurde den Wählern von Berlusconi, von der rechtsextremen Lega Nord und von Beppe Grillos Protestpartei das Blaue vom Himmel versprochen: eine Steuersenkung auf 15 Prozent, eine Mindestrente von 1000 Euro, ein bedingungsloses Grundeinkommen von bis zu 1560 Euro.

Der Ausgang der Wahl ist offen - die Konsequenzen auch

„Ein Land auf der Kippe“ titelte am Wahltag die Zeitung „Repubblica“ und orakelte von Unregierbarkeit oder gar einem blühenden Sieg der euroskeptischen Populisten. Die Ungewissheit vor dem Wahlergebnis war groß: Seit dem 17. Februar, als noch 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler unentschieden waren, waren keine weiteren Umfragen erlaubt.

Groß ist auch die Unsicherheit in der Bevölkerung. Nach einer über zehnjährigen Krise ist in Italien das Vertrauen in die Politik auf ein historisches Minimum gesunken: Gerade noch fünf Prozent der Bevölkerung gaben in einer Umfrage an, dass sie noch Vertrauen in die Parteien hätten. Zwar hat auch die italienische Wirtschaft 2017 wieder zu wachsen begonnen – doch mit 1,5 Prozent liegt der Zuwachs deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Und vor allem ist der zarte Aufschwung bei den Krisenverlierern – der jungen Generation und dem Mittelstand – noch nicht angekommen. Das machte Millionen Italiener anfällig für eine Protestwahl.

Der zarte Aufschwung könnte schon wieder gestoppt werden

Eine Regierung aus Grillos Protestpartei und Rechtspopulisten würde die mühsam erreichten Fortschritte gleich wieder in Frage stellen. Dank der Reformen der Regierungen von Mario Monti und danach von Enrico Letta, Matteo Renzi und Paolo Gentiloni und vor allem dank der Niedrigzinspolitik des italienischen Chefs der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, war der Staatsschuldenberg von 2200 Milliarden Euro bisher beherrschbar. Unter einer Regierung aus „Grillini“ und Rechtspopulisten könnte sich dies schnell ändern.

Ab Montag wird zunächst Staatspräsident Sergio Mattarella die Regie führen. Der besonnene Jurist aus Palermo wird versuchen, jeden Eindruck politischer Instabilität zu vermeiden und dem Land so bald wie möglich eine handlungsfähige, verlässliche Regierung zu geben. Das kann auch mehrere Wochen dauern. So lange wird die bisherige Regierung von Paolo Gentiloni, dem derzeit beliebtesten Politiker im Land, die Amtsgeschäfte weiterführen.

Sollte sich die Bildung einer Regierung aufgrund der Zersplitterung der politischen Kräfte im Parlament als unmöglich erweisen, könnte sich Mattarella auch für Neuwahlen mit einem neuen Wahlgesetz entscheiden. Wählen durften 46,6 Millionen Wählerinnen und Wähler; 4,1 Millionen wahlberechtigte Italiener im Ausland hatten zuvor schon brieflich abgestimmt. Demoskopen erwarteten eine Wahlbeteiligung von 70 Prozent, was ein neuer Tiefststand wäre. Bis um 19 Uhr lag die Beteiligung bei knapp 59 Prozent. Bei den Parlamentswahlen von 2013 hatte die Stimmbeteiligung noch 75 Prozent betragen. (mit dpa)

Zur Startseite