Hauptstadtlage: Schicksalswahl für die SPD im hohen Norden
Ein Machtverlust in Bremen am 26. Mai wäre für die SPD eine Katastrophe. Außerdem im Nachrichtenüberblick: die Kosten der Maut und der Enteignungsstreit.
Sie ist ein Prestigeprojekt der CSU, doch die Pkw-Maut hat einen schweren Stand. Jetzt kommt heraus: Schon vor ihrer geplanten Einführung 2020 schlägt sie in Deutschland mit mindestens 128 Millionen Euro zu Buche. Seit 2013 hat die Bundesregierung bereits 42 Millionen Euro ausgegeben, davon 32 Millionen allein für Berater und Gutachter. Das zeigt die Antwort auf eine Grünen-Anfrage, die „Tagesspiegel Background Mobilität & Transport“ vorliegt. Im Haushalt 2019 sind zur Vorbereitung weitere 86 Millionen eingeplant.
Umstritten ist auch die Vergabe der Maut-Erhebung – der Bundesrechnungshof prüft derzeit die Wirtschaftlichkeit. Das alles ist peinlich für Minister Scheuer. Bereits Ende vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass sein Haus 2017 und 2018 rund 26 Millionen Euro an Beraterhonoraren ohne interne Wirtschaftsprüfung vergeben hatte. Was die Pkw-Maut betrifft, fordern mittlerweile so einige: Reißleine ziehen und einstampfen.
Mit seinem Vorschlag, den Enteignungsparagraf aus dem Grundgesetz zu streichen, hat sich FDP-Chef Lindner keine Freunde gemacht. Die Liberalen wollen das auf ihrem heute beginnenden Bundesparteitag beschließen, doch im Bundestag bekäme die Idee nicht mal annähernd die nötige Zweidrittelmehrheit.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei sprang Lindner zwar bei, aber Freis Parteifreund Karl Laumann sagte, der Vorschlag der FDP sei „der blanke Hohn gegenüber den Bürgern“. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Lindner vor, er habe „einen klientelistischen Blick auf das Grundgesetz“. „Wir erleben die Wiederkehr der alten FDP als Farce.“ Kritik kam auch von SPD und Linken. Einer der innerhalb der FDP Lindner häufiger widerspricht und gleichzeitig Brücken zu den Grünen baut, ist übrigens der junge Abgeordnete Konstantin Kuhle. Mein Porträt über ihn, lesen Sie hier.
Gescheiterte Bankenfusion
Dass die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank gescheitert ist, sehen in Opposition und Koalition viele als Segen. Nur für einen ist das richtig unangenehm: Olaf Scholz. Der Finanzminister und sein Staatssekretär Jörg Kukies, der aus der Finanzbranche ins Ministerium gewechselt war, hatten auf die Fusion gedrängt. Scholz findet, die hiesigen Banken hätten derzeit nicht die Größe, um die deutsche Industrie international zu begleiten.
Jetzt prasselt Kritik auf den Finanzminister ein. Die SPD-Finanzpolitikerin Kiziltepe sagte dem Tagesspiegel, „eine solche Marktkonzentration“ sei nach den Erfahrungen der Finanzkrise kontraproduktiv. Der FDP-Politiker Toncar findet, Scholz habe mit „amateurhaftem Agieren“ Schaden angerichtet. „Seine Autorität in Finanzfragen ist beschädigt“. Und die Grünen-Finanzpolitikerin Paus kritisiert, Scholz habe sich „alles andere als verantwortungsvoll verhalten.“ Wo jetzt die von ihm geforderte deutsche Großbank herkommen soll, hat der Finanzminister noch nicht erklärt.
Deutsch-französische Differenzen
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Macron demonstrieren gern deutsch-französische Einigkeit – nächsten Montag haben sie zum Beispiel gemeinsam im Kanzleramt zu einem Westbalkan-Gipfel eingeladen. Doch im Europawahlkampf ist die Realität eine andere. Hier mobilisiert Macrons Partei LRM zunehmende gegen die Kanzlerin. Macrons Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nathalie Loiseau, hat der Kanzlerin Mutlosigkeit vorgeworfen.
Und zwischen Merkel und Macron gibt es europapolitisch einige Differenzen: Sie waren sich uneins über die Länge der Brexit-Fristverlängerung und darüber, wie der nächste Kommissionspräsident bestimmt werden sollte. LRM und CDU/CSU werden nach der Wahl auch nicht in einer Fraktion im Europaparlament sein. Hoffentlich schlägt das alles am Montag nicht auf die Stimmung.
Wenn am 26. Mai die Europawahl stattfindet, wählen bekanntermaßen die Bremen auch ihre Bürgerschaft. Eine Schicksalswahl für die Sozialdemokraten – in Bremen haben sie seit 1946 ununterbrochen regiert. Ein Machtverlust wäre ein extrem schlechtes Omen für das gesamte Wahljahr.
Insofern darf man heute gespannt in die Hansestadt schauen: Parteichefin Andrea Nahles kommt zum Wahlkampf mit Bürgermeister Carsten Sieling. Fast zeitgleich läuft auch das TV-Duell zwischen Sieling und CDU-Herausforderer Meyer-Heder auf RTL Nord. Weil Sieling sich nicht zweiteilen kann, ist das Gespräch gestern Abend auf einem Schiff auf der Weser aufgezeichnet worden. Die Anspannung dürfte groß gewesen sein: CDU und SPD stehen mit jeweils 25 Prozent derzeit gleichauf. Der Sieg beim Duell könnte einem der beiden Kontrahenten einen Vorsprung verschaffen.
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