CDU-Kritik an Nord Stream 2: Scheindebatten um eine Pipeline
Alle drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz kritisieren die Gaspipeline Nord Stream 2. Aber lässt sich das Projekt noch verhindern?
Seitdem die russische Marine in der Straße von Kertsch ukrainische Schiffe aufgebracht und damit einen neuen Konflikt mit Kiew ausgelöst hat, bekommt in Deutschland eine alte Debatte neue Nahrung. Das aggressive russische Vorgehen bestätigt die Befürchtungen der Kritiker der Gas-Pipeline Nord Stream 2, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führen soll. Während viele Grüne schon immer gegen das Projekt waren, wächst nun auch in der Union die Zahl der Gegner.
Wichtigstes Indiz ist die Tatsache, dass sich alle drei Kandidaten um die Nachfolge von Angela Merkel als CDU-Chefin kritisch zu Nord Stream 2 geäußert haben. Die Kanzlerin und Außenminister Heiko Maas (SPD) verteidigen Nord Stream 2 weiter – unter anderem mit dem Argument, Deutschland werde sich gegenüber Russland dafür einsetzen, dass die Ukraine weiter Einnahmen aus dem Gas-Transfer über ihr Territorium erzielen kann. Damit soll der Einwand entkräftet werden, die Umgehung der Ukraine könne das Land entscheidend schwächen.
Allerdings deutet vieles darauf hin, dass die starken Töne mehr Handlungsspielraum versprechen, als ihn in der Pipeline-Frage selbst eine Kanzlerin Kramp-Karrenbauer oder ein Kanzler Merz oder Spahn zur Verfügung hätten. Dazu ist das Projekt zu weit fortgeschritten. "Ich halte das für eine Scheindebatte", sagt Russland-Experte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Vermutlich würden sich "alle Kandidaten scheuen, dieses Projekt zu verhindern". Falls der Staat tatsächlich Genehmigungen zurücknehmen wolle, werde das Unternehmen "klagen und gewinnen".
Ähnlich sieht das Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Die Genehmigungsverfahren in Deutschland sind abgeschlossen", sagt die Expertin für den europäischen Energiemarkt. Bei den kritischen Äußerungen gehe es "eher um einen symbolischen Schritt und nicht um eine reale Möglichkeit". Beim gegenwärtigen Stand könne wohl auch die EU-Kommission die Vollendung des Projekts nicht mehr stoppen, schätzt Westphal. Allerdings könnten "neue regulatorische Hürden der EU" die volle Auslastung der Pipeline erschweren und die Kapazitäten für Exporte von Gazprom verringern. Voraussetzung: "Berlin müsste dazu mit Brüssel über Bande spielen."
Gefahr droht dem Projekt allerdings noch aus anderer Richtung – aus Washington. Präsident Donald Trump hat Sanktionen gegen beteiligte Firmen angekündigt, im Auswärtigen Amt wird damit gerechnet, dass diese bald verkündet werden. Die deutschen Firmen finanzieren aber nur noch, sind keine Anteilseigener mehr. Energieexpertin Westphal verweist beim Thema US-Sanktionen auch auf die massiven wirtschaftlichen Interessen Washingtons: "Die USA konkurrieren mit ihrem Fracking-Gas mit Russland, Deutschland ist ein umworbener Absatzmarkt."
Der russische Gaskonzern Gazprom hat angekündigt, dass er im Falle von US-Sanktionen gegen beteiligte deutsche Firmen wie BASF im Notfall ganz alleine weiterbauen würde. Andere Experten halten es für möglich, dass China dann bei der Finanzierung gerne aushelfen würde. "Wir haben gesehen, dass häufig chinesische Firmen das Vakuum nutzen, wenn sich europäische Firmen wegen US Sanktionen zurückziehen", sagt Westphal. Dafür gebe es Beispiele im Iran und Russland. Eine solche Entwicklung aber sei "kontraproduktiv" in Bezug auf die europäische Versorgungssicherheit.
Ohnehin könnten sich Nord Stream 2-Kritiker im Bundestag bislang nicht durchsetzen. Die SPD steht zu dem Projekt, auch in der Unionsfraktion haben die Kritiker keine Mehrheit. Russland-Experte Meister weist darauf hin, dass in der CDU der Wirtschaftsflügel immer noch eine wichtige Rolle spielt – und der ist für das Gasgeschäft.