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Begeistert die Börse, schockiert Klimaschützer: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro in Davos.
© Arnd Wiegmann/REUTERS

Weltwirtschaftsforum: Schaut auf die Verlierer!

Jedes Jahr versammeln sich Staats- und Unternehmenschefs in Davos - diesmal mit düsteren Aussichten. Lässt sich der Multilateralismus retten? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Der Anspruch ist riesig. Die Staats- und Unternehmenschefs, die seit Dienstag in einem verschneiten Schweizer Städtchen zusammen beraten, wollen nicht weniger als "den Zustand der Welt verbessern", wie der Leitspruch des Davoser Weltwirtschaftsforums heißt. Dabei monieren Kritiker längst, die elitäre Veranstaltung sei aus der Zeit gefallen, weil die Gemeinsamkeiten von früher nicht mehr gelten würden.

Tatsächlich vertrauten noch vor wenigen Jahren die meisten Teilnehmer von Davos darauf, dass Freihandel, verstärkte internationale Zusammenarbeit und wirksame internationale Organisationen fast automatisch dafür sorgen würden, dass mit der Globalisierung alle gewinnen. Heute kann die globale Elite die Augen nicht mehr davor verschließen, dass ziemlich viel schief gelaufen ist.

Handelskriege zwischen den Zentren der Weltwirtschaft, der immer näher rückende harte Brexit, die drohende Klimakatastrophe und vor allem die Erosion des Vertrauens in Demokratien sowie der Vormarsch der Nationalisten sogar in der EU lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Welt in einem labilen Zustand ist. Die globale Wirtschaft sendet Krisenzeichen, die Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds für Deutschland fällt besonders düster aus.

Die neuen Ungewissheiten schlagen sich auch im Risikobericht des Weltwirtschaftsforums nieder. "Globale Risiken nehmen zu. Gleichzeitig schwächt sich der kollektive Wille, sie zu bekämpfen, deutlich, und die Spaltung nimmt zu", heißt es darin durchaus treffend. Als besonders bedrohlich identifizieren die Autoren die Folgen des Klimawandels: Wetterextreme, Versagen beim Klimaschutz sowie Naturkatastrophen sind für sie die drei wichtigsten Herausforderungen.
Fast schon makaber wirkt es angesichts solcher Warnungen, dass am Dienstag der neue brasilianische Präsident nach Davos geladen war. Jair Bolsonaro pfeift auf liberale Werte, er sieht den Regenwald seines Landes als eine gewinnträchtig zu verhökernde Ressource, will ihn deshalb ohne Rücksicht auf indigene Völker verstärkt abholzen lassen. Während die Davoser Krisenexperten mahnen, feiert die Börse ihn ohne Rücksicht auf Verluste für sein Wirtschaftsprogramm.

Bolsonaro trat auf, ein anderer fehlte: Donald Trump kam wegen des "Shutdowns" ebenso wenig wie wichtige US-Minister. So gab es keine Gelegenheit für klärende Gespräche mit Chinas Vizepräsident Wang Quishan über den bislang nur eingefrorenen Handelskonflikt.

Es gibt einen Unterschied zwischen Davos und institutionalisierten politischen Gipfeln: Im Schnee der Schweizer Berge tauscht man lediglich Meinungen aus. Aber im G7- oder G20-Format werden Entscheidungen getroffen, die nicht nur die Welt verändern sollen, sondern auch verbindlich sind. Gemeinsam ist den Initiatoren des privaten Davoser Treffens und der politischen Runden der Glaube daran, dass Austausch, Kompromiss und internationale Zusammenarbeit der Schlüssel sind, um Probleme zu lösen.

Die Spaltung in Gewinner und Verlierer der Globalisierung hat viel dazu beigetragen, dass die Gegner des Multilateralismus in vielen Ländern an die Macht gekommen sind. Wer die Welt besser machen will, sollte das im Blick haben. Dass die Systemreparatur nun trotz oder gegen Störer wie Trump und Bolsonaro gelingen muss, macht die Aufgabe extrem schwer. Aber keinesfalls überflüssig.

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