Staatskrise um Maduro: Schärfste Kritikerin des Präsidenten wird in Venezuela entlassen
Die verfassunggebende Versammlung hat Generalstaatsanwältin Luisa Ortega entlassen. Gleichzeitig legt der südamerikanische Wirtschaftsbund Venezuelas Mitgliedschaft auf Eis.
Die verfassunggebende Versammlung (ANC) in Venezuela hat Generalstaatsanwältin Luisa Ortega entlassen. Dies entschied das von der Staatsführung neu eingerichtete Gremium am Samstag. Ortega ist unter den Amtsträgern die wichtigste Gegenspielerin von Staatschef Nicolás Maduro, dem sie Verfassungsbruch vorwirft.
Zuvor hatten die Sozialisten symbolisch das von der Opposition dominierte Parlament übernommen und die Gangart gegen Kritiker verschärft. Ortega hatte vor ihrer Absetzung kritisiert, dass ihre Behörde von der Nationalgarde abgeriegelt wurde. „Ich klage diese Willkür vor der nationalen und internationalen Gemeinschaft an.“
Die 545 Mitglieder des ANC zogen am Samstag in den Sitz des Parlaments ein, das damit praktisch aufgelöst ist. In dem Parlament hatte die Opposition gegen den sozialistischen Präsidenten Maduro seit 2015 die Mehrheit. Beobachter werten die Auflösung des Abgeordnetenhauses als Schritt in die Diktatur.
Die ANC soll ein Grundgesetz nach sozialistischem Vorbild ausarbeiten
Die Kompetenzen der Abgeordneten waren zuvor vom obersten Gerichtshof stark eingeschränkt worden. Diesen hatte Maduro mit Gefolgsleuten seiner chavistischen Bewegung besetzt. Im März löste der Konflikt Massenproteste gegen Maduro aus. Seitdem finden in Venezuela fast wöchentlich gewaltsame Demonstrationen statt, bei denen bislang rund 120 Menschen ums Leben gekommen sind.
Die Mitglieder der ANC waren vergangenen Sonntag gewählt worden. Die Opposition boykottierte die Abstimmung und sprach von Wahlbetrug. Das Unternehmen, das die Wahlmaschinen bereitgestellt hatte, gab bekannt, dass Stimmen illegal hinzugefügt worden seien. Die ANC soll nun ein neues Grundgesetz nach sozialistischem Vorbild ausarbeiten. Sie wird von Chavisten oder Mitgliedern regierungsnaher Organisationen gebildet. Abgeordnete der Opposition fürchten Verfolgung. ANC-Vorsitzende wurde Ex-Außenministerin Delcy Rodríguez. In Richtung Washington sagte sie: „Legt euch nicht mit uns an.“ Die USA, die EU sowie die wichtigsten Länder Lateinamerikas erkennen die ANC nicht an.
Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos verurteilte die Absetzung von Ortega als „diktatorischen Akt“. Die Absetzung sei der „erste diktatorische Akt einer illegitimen Verfassungsgebenden Versammlung“, schrieb er bei Twitter. Das Nachbarland Kolumbien will angesichts starker Fluchtbewegungen 150.000 bis 200.000 Sondervisa für aus Venezuela kommende Menschen ausstellen - sie sollen dann bis zu zwei Jahre bleiben dürfen.
Wirtschaftsbund legt Mitgliedschaft auf Eis
Nach den jüngsten Entwicklungen wird die Mitgliedschaft Venezuelas im südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur dauerhaft auf Eis gelegt. Das beschlossen am Samstag die Außenminister von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay bei einer Sondersitzung in Brasilien. Venezuelas Mitgliedschaft war schon 2016 vorübergehend ausgesetzt worden, weil die Regierung des sozialistischen Staatschefs Nicolás Maduro gegen demokratische Grundprinzipien verstoße. Ihm wird ein Umbau hin zur Diktatur vorgeworfen. Über 120 Menschen starben seit April bei Protesten. In der Region ist das Land mit den größten Ölreserven zunehmend isoliert, nur Ecuador und Bolivien halten noch zu Maduro.
Für den 1991 gegründeten gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur) ist die Europäische Union mit Ausfuhren von rund 110 Milliarden Euro im Jahr der wichtigste Handelspartner. Nach dem Vorbild der EU versucht man, Zollschranken und Handelshemmnisse abzubauen. EU und Mercosur verhandeln über einen gemeinsamen zollfreien Warenaustausch, das wäre ein Markt, der rund 800 Millionen Menschen umfassen würde. Venezuela wäre dann von so einem Freihandelsabkommen ausgeschlossen. Wegen der Dauerkrise brach die Wirtschaftsleistung Venezuelas 2016 um rund 18 Prozent ein, die Inflation ist die höchste der Welt. (lich/dpa/AFP)
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