„Weitere Eskalation der Klimakrise“: Scharfe Kritik von Grüner Jugend und Fridays for Future am Ampel-Vertrag
Die Parteispitze der Grünen lobt den Koalitionsvertrag, besonders die Maßnahmen zum Klimaschutz. Jungpolitiker und Aktivisten sind weniger überzeugt.
Die Grüne Jugend hat sich kritisch zum vorgelegten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geäußert. Die 177 Seiten Vertragswerk gingen zwar in die richtige Richtung, würden den „gesellschaftlichen Notwendigkeiten aber noch nicht gerecht werden“, teilten die beiden Sprecher der unabhängigen Jugendorganisation, Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus, mit.
In der Klimapolitik sehe man zwar Verbesserungen, doch seien diese alles andere als ausreichend. Auch im Sozialbereich gebe es Mängel. „Es finden sich dort nur wenige Verbesserungen, die das Möglichkeitsfenster für sozial gerechte Politik vergrößern. Diese Verbesserungen gehen nicht weit genug", kritisiert Heinrich.
Konkret nannte sie die Hartz IV-Sätze, die von der Ampel nicht erhöht werden sollen. Dies sei ein „fatales Signal“, kritisierte Heinrich, die in ihrer Jugend selbst in einem Hartz-IV-Haushalt groß geworden ist.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
„Wir brauchen eine echte Grundsicherung, vorher kann von einer echten Abkehr von Hartz IV keine Rede sein“, sagte die 20-Jährige, die erst vor einigen Wochen zur Sprecherin der Grünen Jugend gewählt worden war und wegen alter Tweets und Videoschnipsel rechten Morddrohungen erhalten hatte.
Die Grüne Jugend hat in den vergangenen Monaten enorm an Macht innerhalb der Grünen Partei gewonnen. Die Mitgliederzahlen sind auf fast 20.000 gestiegen, rund zwei Drittel sind auch Mitglied bei den Grünen und somit stimmberechtigt bei der Entscheidung über den Koalitionsvertag.
„Mit Sorge blicken wir auf den Verkehrsbereich“
Die Grüne Basis, traditionell eher links, darf von morgen an digital und per Brief über den Ampel-Vertrag abstimmen. Für die Zustimmung reicht eine einfache Mehrheit, ein Quorum gibt es nicht. Der Bundesvorstand der Grünen Jugend will schon am Donnerstag beraten, ob man den Mitgliedern zu einer Zustimmung rate, sagte Timon Dzienus.
[Mehr zum Thema: Als das Schweigegelübde bröckelt - Rekonstruktion der letzten Stunden bis zur Ampel (T+)]
Am Wochenende veranstaltet die Grüne Jugend dafür einen kleinen Parteitag. Der 25-Jährige lobte die Verhandlungserfolge der Parteispitze beim Klima. Der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien, der vorgezogene Ausstieg aus der Kohleverstromung, sowie der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor seien ein „großer Erfolg“ für die Klimabewegung und die Grünen. Auch er übte jedoch Kritik: „Mit Sorge blicken wir auf den Verkehrsbereich, wo wir großen Handlungsbedarf sehen“, sagte er.
Das Verkehrsressort geht – anders als lange gedacht – an die FDP. Die Grünen hatten sich große Hoffnungen auf das budgetreiche Schlüsselressort gemacht und mit Fraktionschef Anton Hofreiter bereits einen aussichtsreichen Kandidaten. Nun wird FDP-Generalsekretär Volker Wissing das Amt übernehmen. Zum Ärger einiger linker Grünen.
Kritik von Fridays for Future
Die langjährige Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Hermann, twitterte erbost: „Meine Position: ohne grünes Verkehrsministerium, keine grüne Regierungsbeteiligung.“ Aus der Bundestagsfraktion wurde Bedauern über die Entwicklung mitgeteilt. Mit Kathrin Henneberger hält sich eine Grünen-Abgeordnete sogar ihre Zustimmung für den Koalitionsvertrag offen.
[Lesen Sie auch: Der Vier-Jahres-Plan: Das sind die wichtigsten Projekte der Ampel (T+)]
Auf Twitter äußerte sich Hennerberger, lange Aktivistin gegen den Braunkohletagebau, enttäuscht über den Koalitionsvertrag. „Die Klimakrise können wir nicht aufhalten, indem wir uns mit Kompromissen zufrieden geben.“ Ihre Zustimmung mache sie davon abhängig, ob ihr in kommenden Gesprächen Solidarität mit vom Abriss bedrohten Dörfern rund um den Tagebau Garzweiler, zugesichert werde.
Mehrere Umweltschutzorganisationen haben den am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag der geplanten Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP kritisiert. "Der aktuelle Koalitionsvertrag allein reicht für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht aus", erklärte Fridays for Future. Auch Greenpeace zeigte sich unzufrieden, zugleich gab es jedoch auch positive Reaktionen von verschiedenen Umweltorganisationen.
Grünen-Chef Robert Habeck hatte zuvor betont: "Wir sind auf einem 1,5-Grad-Pfad", verspricht er mit Blick auf den Vertrag.
"Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise", erklärte die hauptsächlich von jungen Menschen getragene Bewegung Fridays for Future weiter. Dass die Koalition den CO2-Preis nicht erhöhen wolle, bezeichneten die Aktivisten als "Skandal".
Ebenso kritisierte Organisation, dass die Ampel-Parteien die Erdgasinfrastruktur ausbauen wollten. Klimaneutralität bis 2035 sei auf diesem Wege nicht zu erreichen, um die Krise tatsächlich zu lösen, sei eine "Transformation der Gesellschaft" notwendig.
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, die neue Koalition lasse einen ökologischen Aufbruch nur erahnen. Sie liefere nicht die erforderliche Ausrüstung, um diesen zu meistern, erklärte Vorstand Martin Kaiser. Für die Verkehrswende sei der Vertrag eine Enttäuschung. "Der Verkehr wird absehbar der Problemfall der Ampel beim Klimaschutz", führte Kaiser weiter aus. (mit AFP)