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Nato-Kräfte in Litauen. Die Balten hoffen auf Verstärkung.
© PETRAS MALUKAS/AFP

Schulterschluss für Europa: Russlands Aufmarsch lässt Nato-Mitglieder zusammenrücken

Russlands Präsident Putin hoffte, mit seinem Aufmarsch eine Spaltung der Nato und seiner Partner voranzutreiben. Erreicht hat er das Gegenteil.

In der Ukraine-Krise laufen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Dennoch rechnet der Westen verstärkt mit einer militärischen Eskalation des Konflikts. Auch US-Präsident Joe Biden schaltete sich noch einmal direkt in die Verhandlungen ein.

Am Samstag telefoniert er mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin und drohte ihm nach Angaben des Weißen Hauses mit schwerwiegenden Folgen im Falle einer Invasion. Zuvor hatten mehrere westliche Länder ihre Bürger zum Verlassen der Ukraine aufgerufen, darunter Deutschland. Biden betonte in dem Telefonat mit Putin, die USA seien „zwar weiterhin bereit, sich auf diplomatischem Wege zu engagieren, wir sind aber auch auf andere Szenarien vorbereitet“.

Putin wies Berichte über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff als „provokative Spekulationen“ zurück.

Vonseiten der Nato werden die Versicherungen des Kremls mit allergrößter Skepsis bewertet. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erinnerte daran, dass Russland solche Manöver bereits 2008 in Georgien und 2014 in der Ukraine als eine Art Tarnung genutzt habe, denen dann kriegerische Auseinandersetzungen gefolgt seien.

Nato rückt zusammen

Inzwischen stehen weit über 100.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze. Genau verfolgt wird im Nato-Hauptquartier auch, der massive Aufmarsch russischer Einheiten in Belarus, was die Abhängigkeit des Landes von Moskau weiter vorantreibt.

In der Nato wird davon ausgegangen, dass der russische Präsident dieses Bedrohungsszenario noch lange aufrechterhalten kann. Das Kriegsgerät könne an der Grenze stationiert bleiben, heißt es, während die Mannschaften dazu immer wieder ausgetauscht würden. Nach Informationen der Geheimdienste hat Russland auch eine umfassende Versorgungslogistik aufgebaut, was in den Augen von Fachleuten deutlich über eine standardmäßige Übung hinausgehe.

Der Aufmarsch hat auf jeden Fall zu einem Zusammenrücken der Nato-Staaten in Osteuropa geführt. Vor allem die baltischen Staaten fordern seit mehreren Jahren die Verstärkung der Einheiten des Verteidigungsbündnisses in ihren Ländern. Angesichts der russischen Bedrohung werde dieser Wunsch inzwischen natürlich neu bewertet, heißt es in Brüssel.

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Auch deutsche Einheiten sind in Litauen vor Ort und führen seit fünf Jahren eine Kampfeinheit mit knapp 900 Soldaten. Für die baltischen Staaten ist der Aufmarsch russischer Truppen in Belarus besonders bedrohlich, da sie eine direkte Grenze zu dem Land haben. Auch sind russische Einheiten in der Ostsee präsent.

Nato verzichtet auf Manöver

Wie die Nato versichert, werde im Moment alles getan, um die Situation vor Ort nicht zu gefährden. So werde auf eskalierende Übungen verzichtet. Die weitere Entwicklung müsse allerdings im Lichte der russischen Truppenbewegungen beurteilt werden.

Mitte dieser Woche findet in Brüssel ein Treffen der Nato-Außenminister statt, auf dem auch die Lage in der Ukraine intensiv diskutiert werden wird. Mit von der Partie sind auch Vertreter aus Finnland und Schweden, beides keine Mitglieder im nordatlantischen Verteidigungsbündnis.

Es zeigt sich, dass der russische Präsident mit seinem Aufmarsch nicht die wohl erhoffte Spaltung der Nato und seiner Partner vorantreibt, sondern offensichtlich ein Schulterschluss stattfindet.

Im Sommer wird die Nato darüber hinaus ihr neues strategisches Konzept für die kommenden Jahre präsentieren. Die aktuellen Ereignisse würden die Bewertungen natürlich nachhaltig beeinflussen, heißt es aus dem Brüsseler Hauptquartier. Russland als ehrlichen Partner anzusehen, sei vorerst keine Option mehr.

Knut Krohn

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