Krieg in Syrien: Russland weist Giftgasvorwürfe der UN zurück
Mehr als 80 Menschen starben bei dem Giftgasangriff in Chan Scheichun. Nun hat eine UN-Kommission das Assad-Regime als Schuldigen benannt. Russland spricht von "Propaganda".
Das russische Außenministerium hat die Giftgasvorwürfe der Vereinten Nationen gegen Syrien als Propaganda zurückgewiesen. UN-Menschenrechtsexperten hatten zuvor die syrische Luftwaffe für einen Sarin-Angriff am 4. April in der Stadt Chan Scheichun mit mindestens 83 Toten und fast 300 Verletzten verantwortlich gemacht. „Das Dokument kann man als amateurhaft und propagandistisch, aber auf keinen Fall als professionell und unvoreingenommen bezeichnen“, sagte Michail Uljanow, Direktor für Rüstungskontrolle im Außenamt in Moskau. Die Autoren seien nicht vor Ort gewesen und hätten sich lediglich auf die Aussagen von Augenzeugen berufen, kritisierte der Diplomat. „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vorfall möglicherweise gestellt war, worauf viele Hinweise hindeuten, ignorieren die Autoren völlig“, sagte er der Agentur Interfax.
Syrien und sein Verbündeter Russland behaupten, dass im April in Chan Scheichun ein Giftgasdepot der syrischen Rebellen getroffen worden sein soll. Dem Bericht zufolge sollen indes die Opfer Stunden vor dem angeblichen Luftschlag gegen das Depot angegriffen worden sein. In der Region sei ein Suchoi-Jagdbomber im Einsatz gewesen, den nur die syrische Luftwaffe fliege. Bombenfragmente ließen auf eine chemische Bombe aus einer Fabrikation der ehemaligen Sowjetunion schließen.
Zuvor hatte die Syrien-Kommission des UN-Menschenrechtsrates in Genf die „unvorstellbaren Verbrechen“ aufgeführt, unter denen mehr als sechs Jahre nach Ausbruch des Konflikts vor allem die Zivilisten in Syrien leiden: Attacken mit Chemiewaffen, Belagerungen, Vertreibungen und Terror. Die Parteien des „schrecklichen Konflikts“ missachteten in krasser Weise das humanitäre Völkerrecht, betonte der Vorsitzende der Kommission, Paulo Sergio Pinheiro.
Der brasilianische Diplomat nannte eine Reihe Kriegsverbrechen, die im Untersuchungszeitraum von März bis Anfang Juli verübt wurden. Ganz oben auf der Liste des Schreckens: der Einsatz von Chemiewaffen. Streitkräfte des Machthabers Baschar al Assad setzen demnach weiterhin international geächtete Giftgase ein.
Der schlimmste Angriff, der laut den Ermittlern auf Assads Konto geht, ereignete sich am 4. April in der Stadt Chan Scheichun in der Provinz Idlib. Bei der Attacke mit Sarin starben mindestens 83 Menschen, Hunderte mehr wurden verletzt. Unter den Opfern befanden sich auch viele Kinder. Das Massaker führte international zu großer Empörung und veranlasste US-Präsident Donald Trump, einen Stützpunkt der Assad-Luftwaffe mit Raketen angreifen zu lassen.
Die UN-Ermittler legten jetzt ihre Beweise gegen Assad vor. Danach führte ein Flugzeug vom Typ Suchoi 22 an jenem 4. April vier Luftschläge in Chan Scheichun aus. „Nur syrische Streitkräfte operieren mit solchen Flugzeugen“, heißt es in dem Report. Einer der abgeworfenen Sprengkörper sei eine chemische Bombe sowjetischer Bauart gewesen. Pinheiro stützt sich in seinen Aussagen auf Interviews mit Augenzeugen, Opfern, medizinischem Personal und Ermittlungsergebnisse der Organisation für das Verbot chemischer Waffen sowie Satellitenbilder.
Nur wenige Tage nach der Tragödie verlangte die Kommission bei der Vertretung Syriens bei den UN in Genf nach Informationen. Die Assad-Vertretung blieb jedoch eine Antwort schuldig. An Ort und Stelle konnte das Team der Vereinten Nationen allerdings nicht ermitteln, die Behörden erlauben der Kommission die Einreise nicht. Insgesamt, so Paulo Sergio Pinheiro, sind die Assad-Truppen seit 2013 für mehr als 20 Giftgasangriffe in Syrien verantwortlich.
Das Assad-Regime präsentierte eine eigene Version von Chan Scheichun. Demzufolge hätten syrische Jets ein Depot von Terroristen angegriffen, das mit Chemiewaffen gefüllt war. Es handele sich also um ein Unglück im Krieg.
Darüber hinaus legte die Syrien-Kommission dem Assad-Regime und seinem Verbündeten Russland weitere Kriegsverbrechen zur Last, darunter militärische Angriffe auf medizinische Einrichtungen in der Region um Chan Scheichun. Das Perfide: Viele Opfer der Giftgas-Attacken konnten in den zertrümmerten Krankenhäusern keine Behandlung mehr erhalten.
Seit 2011 erstellte die Kommission mehrere Berichte über die Gewalt in Syrien und fertigte Listen mit potenziellen Kriegsverbrechern an. Die Dokumente sollen mögliche Strafprozesse gegen die Täter erleichtern. Wann und ob die Verfahren beginnen, ist allerdings bisher völlig ungewiss.
Jan Dirk Herbermann
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