Neue Verhandlungen mit Kiew wohl erst am Montag: Russland setzt Angriffe auf Mariupol und Wolnowacha nach Feuerpause fort
Für mehrere Stunden galt offiziell eine Waffenruhe, beide Seiten machen sich gegenseitig für das Scheitern verantwortlich. Neue Gespräche soll es dennoch geben.
Nach einer gescheiterten Feuerpause zur Evakuierung von Zivilisten hat das russische Militär seine Angriffe auf die ukrainische Großstadt Mariupol und die Stadt Wolnowacha fortgesetzt. Die Kampfhandlungen seien um 16.00 Uhr (MEZ) nach einer mehrstündigen Feuerpause fortgesetzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Samstagabend laut Agentur Interfax mit.
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Die ukrainische und die russische Seite hatten sich zuvor gegenseitig Verletzungen der ersten begrenzten Feuerpause im Ukraine-Krieg vorgeworfen, die der Evakuierung von Zivilisten dienen sollte. Die Vorwürfe ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Einstellung des Feuers hatte um 8.00 Uhr (MEZ) in Kraft treten und sieben Stunden andauern sollen, um Zivilisten die Möglichkeit zu geben, die eingekesselten Städte zu verlassen.
Die „russische Seite“ halte sich nicht an die Waffenruhe in der Hafenstadt Mariupol, teilte die Stadt am Samstag mit. „Aus Sicherheitsgründen wird deshalb die Evakuierung verschoben.“
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Das russische Verteidigungsministerium teilte dagegen mit, der verabredete humanitäre Korridor sei beschossen worden. Militärsprecher Igor Konaschenkow beklagte, dass „kein einziger Zivilist“ Mariupol oder Wolnowacha über die Korridore habe verlassen können. „Wegen der mangelnden Bereitschaft der ukrainischen Seite, auf die Nationalisten einzuwirken oder die Feuerpause zu verlängern, wurden die Offensivoperationen wieder aufgenommen“, sagte er.
Ukrainischen Angaben zufolge waren hingegen 400 Menschen aus Wolnowacha und umliegenden Dörfern in Sicherheit gebracht worden. Aufgrund von Beschuss durch russische Truppen seien aber weniger Menschen evakuiert worden als zunächst geplant, hieß es.
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Die am Asowschen Meer gelegene Hafenstadt Mariupol mit einer halben Million Einwohnern sowie die Kleinstadt Wolnowacha stehen seit Tagen unter dem militärischen Druck der vorrückenden russischen Armee.
Mariupol liegt in der Nähe der früheren Frontlinie zwischen pro-russischen Separatisten aus der Ostukraine und der ukrainischen Armee. Die Einnahme der Hafenstadt würde einen Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem Donbass ermöglichen.
Dritte Gesprächsrunde auf Montag geschoben
Derweil sind nach Angaben aus Kiew neue Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine erst für kommenden Montag geplant. Das schrieb der Leiter der ukrainischen Delegation, David Arachamija, am Samstagabend bei Facebook. Einzelheiten nannte er nicht.
Zunächst lag keine Bestätigung der russischen Seite vor. Zuvor war mit weiteren Gesprächen bereits an diesem Wochenende gerechnet worden.
Beide Seiten hatten sich zuletzt am Donnerstag im Westen von Belarus getroffen und sich bei ihrer zweiten Runde auf humanitäre Korridore verständigt. Sie sollten dabei helfen, dass Menschen umkämpfte Städte und Dörfer verlassen können. (dpa, AFP)