Krieg in Syrien: Russland ist angeblich zu 48-stündiger Feuerpause bereit
In der kommenden Woche könnte es eine erste "humanitäre Pausen" in Aleppo geben. Die russische Regierung hat Unterstützung für die UN-Forderung signalisiert.
Der UN-Sondergesandte für Syrien hat eindringlich eine 48-stündige Feuerpause in der Stadt Aleppo gefordert. Dazu bedürfe es aber eines starken Drucks nicht nur der USA und Russlands, sondern aller, die auf die Konfliktparteien Einfluss hätten, sagte Staffan de Mistura am Donnerstag in Genf. Seit Anfang August hätten keine Hilfskonvois mehr die belagerten Orte in Syrien erreicht. Er habe daher die Arbeit der Sondergruppe für humanitäre Hilfe bis nächste Woche ausgesetzt, um ein Zeichen zu setzen, sagte de Mistura vor Journalisten in Genf. Russland hat sich seinerseits zu einer wöchentlichen 48-stündigen Feuerpause in der nordsyrischen Stadt bereit erklärt. Die Feuerpause solle ab kommender Woche eingehalten werden und Hilfslieferungen ermöglichen, teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in einer Erklärung mit.
Der von islamistischen Rebellen kontrollierte Osten Aleppos ist von den syrischen Regierungstruppen und ihren Verbündeten eingekesselt. Dort sollen auch etwa 250000 Zivilisten eingeschlossen sein. Syriens Verbündeter Russland hat tägliche dreistündige Feuerpausen zur Versorgung der Menschen angeboten. Die Rebellen sind darauf nicht eingegangen. Die Bundesregierung hat das russische Verhalten im Syrien-Krieg als zynisch kritisiert. Die UN bestehen auf mindestens 48 Stunden Zeit. Eine Hilfskoordinatorin der Organisation „ Ärzte ohne Grenzen“ schloss sich dieser Forderung am Donnerstag an. Die Situation sei „extrem schwierig“, und die Medikamente und das Verbandsmaterial gingen zur Neige, sagte Evita Mouawad.
Im Nordosten Syriens bombardierten derweil nach kurdischen Angaben Kampfflugzeuge der syrischen Luftwaffe erstmals im fünfjährigen Konflikt von den Kurden kontrollierte Gebiete. Kurdische Viertel der Stadt Hasaka seien angegriffen worden, sagte ein Sprecher der Kurden-Miliz YPG. Zudem seien die Kurden-Viertel auch unter Artilleriebeschuss genommen worden. Es gebe Tote und Verletzte. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete über die Angriffe.
„Es ist ein Alptraum, der sich gerade in Syrien abspielt“, kommentierte die Grünen-Politikerin Franziska Brantner die jüngsten Entwicklungen in dem Bürgerkriegsland. Deutschland müsse unter den UN-Mitgliedstaaten für Teilnehmer an einer internationalen Luftbrücke für die eingeschlossenen Menschen von Aleppo werben, sagte die Vorsitzende des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention im Bundestag. „Wir brauchen jetzt eine Allianz der Anständigen“, forderte sie. Gleichzeitig müsse die Bundesregierung aber den Druck auf Russland und das syrische Regime erhöhen: „Bundesaußenminister Steinmeier muss auf Moskau einwirken, dass es seine Unterstützung für Assads Kriegsführung und Vernichtungsstrategie beendet und sich endlich an einer Lösung des Konflikts beteiligt.“
Auch dürfe die EU nicht weiter tatenlos bleiben. „Das Mindeste, was jetzt erforderlich wäre, ist ein Sondertreffen der EU-Außenminister. Wenn schon Krankenhäuser nicht mehr sicher sind vor Bombardements, wenn Menschen hungern und es an allem fehlt, kann Brüssel nicht im Urlaubsmodus verharren.“
Auch Roderich Kiesewetter, Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, drängte darauf, den Druck auf Russland zu erhöhen. „Russland ist aufgefordert, seinen großen Einfluss auf den syrischen Präsidenten geltend zu machen. In diesem Zusammenhang ist der Außenminister in Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen sehr bemüht, wie jüngst in Jekaterinburg“, sagte er dem Tagesspiegel. Darüber hinaus seien weitere gemeinsame militärische wie zivile Anstrengungen im Rahmen der „Allianz gegen IS“ sowie Fortschritte bei den Genfer Friedensgesprächen vonnöten.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) warf dem syrischen Regime derweil die Ermordung von knapp 18000 Menschen vor. Sie seien durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen, teilte die Menschenrechtsorganisation am Donnerstag in Berlin mit. Der Bericht stütze sich auf die Aussagen von 65 Folterüberlebenden.
Oppositionelle laufen den Ausführungen zufolge in Syrien Gefahr, jederzeit von Sicherheitskräften festgenommen und gefoltert zu werden. Die weit verbreiteten und systematischen Übergriffe auf Zivilisten sollten „als Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingestuft werden, erklärte Amnesty. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, die Verfolgten brauchten medizinische und psychologische Hilfe, forderte der Syrienexperte von Amnesty, René Wildangel. Besonders gefürchtet sei das Militärgefängnis Saydnaya nördlich der syrischen Hauptstadt Damaskus, sagte Wildangel. Von der Haftanstalt hat Amnesty nach eigenen Angaben in Zusammenarbeit mit der Londoner Agentur Forensic Architecture ein dreidimensionales Modell erstellt. Grundlage dafür seien Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge sowie weitere Nachforschungen gewesen. Seit Jahren hätten weder internationale Beobachter noch Journalisten Zugang zu syrischen Haftanstalten, kritisierte die Organisation. (mit dpa/KNA/rtr)