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Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann gab am Montag seinen Rücktritt bekannt.
© Reuters

Nach Werner Faymanns Rücktritt: Rückt die SPÖ jetzt der FPÖ näher?

Der Rücktritt von Werner Faymann als Österreichs Kanzler und Chef der Sozialdemokraten könnte die Ausgrenzung der rechtspopulistischen FPÖ in seiner Partei beenden. Sogar Koalitionen scheinen möglich.

Um 13.29 Uhr hatte die Onlineseite des „Kurier“ noch geschrieben: Es sieht heute nicht aus, als ob Werner Faymann zurücktreten würde. Um 13.42 Uhr hieß es dann: Faymann tritt von allen Funktionen zurück. Seither steckt Wien im Krisenmodus.

Die Chronologie des auch für eiserne Anhänger der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) quälend langsamen Abschieds Faymanns von der Macht hat viele Facetten. Die Dynamik stammte zuletzt von der gewaltigen Niederlage in der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer. Und diese wurzelt auch in der Flüchtlingskrise, die in Österreich alle anderen Themen beherrscht.

Faymann präsentierte sich konzeptlos: Zuerst setzte er sich bei den Österreichern in merkelscher Treue für unkontrollierte Grenzen und Zuwanderung ein. Dann legte er auf Druck der von ihm als Machtmittel bis dahin perfekt benutzten Boulevardmedien und des Regierungspartners ÖVP eine einsame Kehrtwende hin. Die große Mehrheit der früheren SPÖ-Anhänger war zu diesem Zeitpunkt schon total verunsichert oder: bei der FPÖ.

Deren Kandidat bekam vor zwei Wochen drei von vier Stimmen aus der Arbeiterschaft, also aus der einstigen Kernwählerschaft der SPÖ. Die österreichischen Arbeiter fühlen sich als Verlierer der Globalisierung, der EU-Ostöffnung und sehen sich aufgrund des Migrantenzuzugs aus den üppigen Segnungen des OECD-Landes mit der höchsten Staatsausgabenquote verdrängt.

„Wie soll ich das einem Maurer erklären, der nach 45 Jahren Arbeit mit seiner Frau mit 1100 Euro Rente auskommen muss“, fragt Hans Niessl, SPÖ- Landeshauptmann im Burgenland. Niessl koaliert als erster SPÖ-Landeshauptmann mit der FPÖ und ignoriert dabei einen SPÖ-Parteitagsbeschluss, der das verbietet.

Niessl ist damit so erfolgreich, dass er bei der Bundespräsidentenwahl die geringsten Verluste ertragen musste. Niessl war in den letzten Tagen auch der Sprecher des offenbar rasch wachsenden Parteiflügels, der das Ende der Ausgrenzung der FPÖ als undemokratische, unösterreichische EU-Feinde forderte. Unterstützung erhielten Niessl und seine Genossen zuletzt sogar von einem der zwei mächtigsten Blöcke in der Partei: Der Chef des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) forderte ebenfalls ein Umdenken.

Womit für Faymann nur mehr Michael Häupl als Unterstützer blieb, der Wiener Langzeitbürgermeister, der ihm womöglich interimistisch als SPÖ-Vorsitzender folgen wird. Doch auch Häupl schwankte schon. Zuletzt wählten Wiens Arbeiterbezirke überwiegend den FPÖ-Kandidaten. Am jährlichen SPÖ-Hochamt, der 1.-Mai-Feier am Wiener Rathausplatz, wurde Faymann bei seiner Rede durchgehend von Buhrufen vieler Genossen begleitet. Das hatte es noch nie gegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die SPÖ die Ausgrenzung der FPÖ beenden wird, ist mit Faymanns Abgang stark gestiegen.

Sie geht wohl weiter: Im Rennen um die FPÖ als Koalitionspartner könnte sie bald gegen die ÖVP antreten, der diese Kombination länger schon verlockend erscheint. Vor allem unter ihrem aufsteigenden Stern, dem 29-jährigen Außenminister Sebastian Kurz. Sei es bei baldigen oder späteren Neuwahlen.

Reinhard Frauscher

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