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Sieger der ersten Runde. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer (rechts), neben ihm FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
© REUTERS

Bundespräsidentenwahl in Österreich: Die selbstzufriedene Klüngelei muss ein Ende haben

Der Erfolg des Rechtspopulisten Norbert Hofer im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl in Österreich zeigt, wie innenpolitische Verwerfungen Europa als Ganzes unterminieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hermann Rudolph

Das Desaster könnte nicht größer sein. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs der österreichischen Präsidentschaftswahlen ist wahrhaftig ein Menetekel für die Politik – in Österreich und Europa. Ein Drittel der Stimmen für den Kandidaten der rechtspopulistischen FPÖ, der außerhalb des Landes noch weitgehend unbekannt ist und der nichts von der aggressiven Aura hat, mit der Jörg Haider, seinerzeit die rechte Galionsfigur der österreichischen Politik, die Politiker der Alpenrepublik vor sich hertrieb. Gleichzeitig sind die beiden Parteien, die ein halbes Jahrhundert lang die österreichische Politik beherrschten, weit abgeschlagen.

Die Politik in unserem Nachbarland steht vor einem Abgrund. Ob dieses Ergebnis tatsächlich ein Ende der rot-weiß-roten Nachkriegsdemokratie ankündigt oder ob der Schrecken das unverhoffte Ergebnis noch überhöht: Die österreichische Politik steht vor ihrer größten Herausforderung.

Gewiss, es steht den Bürgern noch ein zweiter Wahlgang bevor. Aber es müsste ein Wunder geschehen, wenn der FPÖ-Prätendent mit seinen über 36 Prozent von dem grünen Zweitplatzierten, der gerade 20 Prozent erhielt, noch verdrängt werden sollte. Es ist kein Verlass mehr darauf, dass die Aussicht, ein rechtspopulistisches Staatsoberhaupt zu bekommen, die österreichischen Wähler zu einem Umdenken bewegen wird. Auch die fatalen Wirkungen, die das auf das Bild des Landes jenseits der österreichischen Grenzen haben würde, werden sie kaum beeinflussen.

Das Wahlergebnis bedeutet, dass das Schmuddelkind der österreichischen Politik salonfähig geworden ist – bis in die Mitte der Wählerschaft hinein. Getragen einerseits von der aktuellen Flüchtlingsfurcht, andererseits von einer tief verwurzelten Verstimmung über die etablierte Politik, ist der rationalen Abwägung längst der Boden entzogen.

Selbstzufriedene klientelfixierte Politik

Insofern ist der alarmierende Wahlausgang das Ergebnis eines langen Prozesses, in dem die selbstzufriedene, klüngel- und klientelfixierte Politik der regierenden Parteien – SPÖ wie ÖVP – das politische Spektrum deformiert hat. Eine Wende bestünde tatsächlich darin, dass sich – wie es nun aus der schmerzhaft getroffenen politischen Klasse herüberschallt – Regierung und Parteien „am Riemen reißen“; anderenfalls stünde nach einem rechtspopulistischen Bundespräsidenten ein Kippen der politischen Verhältnisse.

Dazu müsste die politische Klasse begreifen, wie ernst die Lage ist, und dass die hergebrachten Usancen der österreichischen Politik an ihr Ende gekommen sind. Aber traut das jemand ihren Protagonisten zu? Dass das nicht der Fall ist, hat am Ende schließlich zu diesem Wahlergebnis geführt.

Kommt hinzu, dass der Erfolg der FPÖ fatal gut zu den aktuellen politischen Verschiebungen und Verfärbungen in Europa passt, nicht zuletzt im Osten der Europäischen Union. Man kann nicht umhin, ihn als ein Echo der nationalstaatlichen Reserve zu lesen, die vor allem Polen und Ungarn in die EU eingeführt haben; sie ist in der Flüchtlingsfrage zum ärgerlichen Exempel geworden.

Österreich setzt mit dieser Wahl ein weiteres Zeichen dafür, wie stark innenpolitische Verwerfungen Europa als Ganzes unterminieren können. Weshalb der Kampf um die Präsidentschaft, der bis zum 22. Mai das Land umtreiben wird, zu einem Lehrstück darüber werden kann, welche Kräfte Europa braucht und welche es bannen muss.

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