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Wer geht wann? Mit Rückkehrförderprogrammen sollen Asylbewerber bewogen werden, auf ein Verfahren zu verzichten.
© imago/Future Image

Asylpolitik: Rückkehrförderung als Lotterie

Die Werbung für das Rückkehrprogramm „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ wird zu recht kritisiert. Das verstellt aber den Blick auf Wichtigeres. Ein Gastbeitrag.

Groß war der Aufschrei der vergangenen Tage über die Plakatkampagne des Bundesinnenministeriums für das Programm „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“, einem Wohnkostenzuschuss für Migrantinnen und Migranten, die in ihre Heimat zurückkehren wollen oder vielmehr sollen. Groß war damit der Aufschrei über ein Programm, das in dieser Form keineswegs neu ist: Bereits Ende 2017 wurde es für drei Monate aufgelegt; gleicher Name, gleiche Konditionen. Kritisiert wird jetzt vor allem, dass die Zielgruppe der 500.000 Euro teuren Kampagne vollkommen unklar ist. Auf seiner Homepage stellt das Ministerium klar: Es geht hier um Ausreisepflichtige, also um abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

„Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ ist allerdings nicht mehr als eine zahlenmäßig wenig bedeutsame, nun aber sehr sichtbare Komponente einer viel umfangreicheren Strategie von Bund und Ländern zur Erhöhung der Rückkehrbereitschaft von Menschen, deren Asylantrag in Deutschland abgelehnt wurde.

„Integriertes Rückkehrmanagement“ nennt die Bundesregierung diese Strategie. Es geht vor allem darum, dass Anreize zu einer sogenannten „freiwilligen Rückkehr“ so früh wie möglich im Asylprozess gesetzt werden. Maßgeblich steht dafür das Programm, in das „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ eingebettet ist: „Starthilfe Plus“. Diese Rückkehrprämie wurde 2017 aufgelegt und beinhaltet die kritikwürdige Besonderheit, dass die Höchstförderung von 1.200 Euro nur erhält, wer auf sein Asylverfahren verzichtet. Dazu müssen Asylsuchende einwilligen, dass sie einen Asylantrag erst gar nicht stellen oder aber zurückziehen und auf Rechtsmittel verzichten. Wer innerhalb der Ausreisefrist nach Ablehnung des Antrags geht, erhält nur 800 Euro weniger.

Das Interesse an dem Programm ist gering

Seit Programmstart beantragten nur gut 13 Prozent der Starthilfe-Plus-Empfänger den voraussetzungsreichen Höchstsatz. Das Interesse der Zielgruppe, gegen die Zahlung von Bargeld auf ein Asylverfahren zu verzichten, ist also gering. In Anbetracht der Gefahren und Kosten, die viele dieser Menschen für die Wanderung nach Europa auf sich genommen haben, ist das kaum verwunderlich.

Für alle Förderstufen gibt es bei „Starthilfe Plus“ ohnehin vorerst nur die Hälfte des Geldes auf die Hand. Der zweite Teil kann sechs Monate nach der Rückkehr im Herkunftsland abgeholt werden. Was das Innenministerium eine Maßnahme der Reintegration nennt, ist mit einem erheblichen Mehraufwand für die Betroffenen verbunden: Die Abholquote der zweiten Rate liegt nur bei etwa 60 Prozent. Das Programmdetail steht nicht zu Unrecht in Verdacht, in erster Linie eine direkte Weiterwanderung verhindern zu wollen.

Aber „Integriertes Rückkehrmanagement“ meint noch mehr: Um Migrantinnen und Migranten (insbesondere solche mit sogenannter „geringer Bleibeperspektive“) von einer möglichst frühen Rückkehr zu überzeugen, wirken Bund und Länder spätestens seit Anfang 2017 auf eine flächendeckende staatliche Rückkehrberatung hin, die unmittelbar nach der Ankunft ansetzt. So gehört es mittlerweile zum Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), bereits bei der Asylantragsstellung die Frage der Rückkehr mit den Schutzsuchenden zu thematisieren.

Staatliche Rückkehrberatungsstellen werden auch darüber hinaus aufgerüstet. In zahleichen Bundesländern ist zu beobachten, dass dafür immer häufiger Ausländerbehörden zuständig sind und Wohlfahrtsverbände wie Caritas oder Diakonie, die teilweise seit Jahrzehnten zur Rückkehr beraten, zurückgedrängt werden. Besonders sichtbar wird diese Strategie in Bayern, wo 2015 auf Ebene der Regierungsbezirke sogenannte „Zentrale Ausländerbehörden“ ins Leben gerufen wurden, die vor allem für Rückkehrfragen zuständig sind. Diese Behörden agieren direkt in den Erstaufnahmeeinrichtungen, was dazu führt, dass Ratsuchende gewissermaßen von den unabhängigen Beratungsstellen abgeschirmt werden.

Es sind aber genau diese Stellen, die abgelehnte Asylsuchende in ihrer prekären Situation am besten unterstützen können. Denn ihre Unabhängigkeit und die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht eine auf den Einzelfall fokussierte Perspektivberatung, die nicht einfach auf den schnellen Vollzug der Ausreisepflicht fokussiert und darüber hinaus stets die Reintegration im Herkunftsland im Blick hat. Ausländerbehörden hingegen bieten selten mehr als eine „Formularhilfe“ bei der Beantragung von Rückkehrprämien.

Beratungsstellen arbeiten zunehmend prekär

Die Finanzierung der freien Beratungsstellen erfolgt in vielen Fällen über den „Asyl- Migrations- und Integrationsfonds“ der EU-Kommission. Dabei handelt es sich um einen Fördertopf, der seine Gelder nur für befristete Projektzeiten ausspuckt und auf den sich die freien Träger deshalb immer wieder neu bewerben müssen. Da die Mittel eng begrenzt sind, kann es auch für alteingesessene Beratungsstellen zu einem bösen Erwachen kommen. So geschehen jüngst in Baden-Württemberg, wo nicht-staatlichen Rückkehrberatungen die Förderung gestrichen wurde und, siehe da, staatliche Stellen nun diese Lücke füllen.

All das führt zu einer regelrechten „Rückkehrlotterie“: Ob ein abgelehnter Asylbewerber bei einem Wohlfahrtsverband oder einer Ausländerbehörde landet, hat Einfluss auf die Qualität der Beratung und konkrete Fördermöglichkeiten, die wiederum auch vom jeweiligen Bundesland abhängen. Darüber hinaus ist das Herkunftsland entscheidend: Menschen aus Staaten des Westbalkans können zum Beispiel weder „Starthilfe Plus“ noch „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ beantragen. Die (erneute) Befristung von „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ bis zum 31. Dezember tut ihr Übriges dazu, dass es letztlich Glückssache ist, ob man in die Förderphase fällt oder eben nicht.

Die Umsetzung der Rückkehrpolitik ist Sache der Länder. Dass der Bund allerdings jährlich 40 Millionen Euro für „Starthilfe Plus“  berappt und die Verantwortung für nachhaltige Strukturen der Rückkehrberatung von sich schiebt, ist fragwürdig. Wenn noch dazu so großflächig über so kleine Rückkehrprogramme wie „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“ informiert wird entsteht schnell der Verdacht, dass es hier eher um Volkberuhigung als um Zielgruppeninformation geht. Es sollte das Ziel sein, ausreisepflichtigen Menschen in ihrer prekären Lage eine angemessene Unterstützung zuteilwerden zu lassen und nicht nur rigoros auf ihre Rückkehr hinzuarbeiten. Dazu wären staatliche Gelder besser in unabhängigen Beratungsstellen untergebracht als in simplen Rückkehrprämien und bunten Postern an U-Bahnhöfen.

Valentin Feneberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Umsetzung der deutschen Politik der geförderten Rückkehr.

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