Flüchtlinge: Freiwillige Rückkehr - weil die Perspektive fehlt
Aus Heimweh oder um einer Abschiebung zuvorzukommen, gehen die meisten abgelehnten Asylbewerber freiwillig. Doch ihre Zahl ist gesunken.
Wenn in regelmäßigen Abständen darüber debattiert wird, wie, wann und wie schnell man abgelehnte Asylbewerber abschieben kann, dann ärgert sich Sylvia Glaser. Die 51-jährige Münchnerin mit dem grauen Kurzhaarschnitt berät seit der Jahrtausendwende Flüchtlinge, die freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehren. „Die freiwillige Ausreise kostet den Staat einen Bruchteil dessen, was für eine Abschiebung zu Buche schlägt“, sagt Glaser. Die Statistik zeigt außerdem, dass 2016 mehr als 70 Prozent der Ausreisen aus Deutschland freiwillig waren. Nur, sagt Glaser: das sei selten Thema.
Eines machte Anfang der Woche aber doch Schlagzeilen – nämlich, dass die Zahl der freiwilligen Rückkehr gesunken ist. Von gut 54 000 im Jahr 2016 auf etwa 16 600 im ersten Halbjahr 2017. Bevor sich daraus Schlüsse ziehen lassen, ist aber ein genauerer Blick in die Statistik nötig. „Das Jahr 2016 war migrationspolitisch vollkommen ungewöhnlich“, sagt Patrick Schmidtke, Leiter des Referats Rückkehr beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Es seien vor allem viele Menschen aus dem Westbalkan bei ihrer Rückkehr unterstützt worden, die kaum eine Bleibeperspektive haben. 2017 sind die freiwilligen Ausreisen nach Albanien, Serbien, Mazedonien und dem Kosovo dann drastisch gesunken, womit ein großer Teil des Rückgangs erklärt werden kann. Auch die Zahl der Rückreisen nach Syrien, Afghanistan und Irak ist kleiner geworden – sie liegt aber immer noch wesentlich höher als 2015.
Viele haben Heimweh
Glaser, die für die Münchner Rückkehrberatung „Coming Home“ arbeitet, beobachtet, dass sich auch die Gründe für die Rückkehr verändert haben. „Noch vor vier, fünf Jahren gingen viele ohne Ausreisedruck. Wer jetzt zurückkehrt, hat meist schon einen Ablehnungsbescheid bekommen“, sagt sie. Es sei diese Perspektivlosigkeit, die viele davon überzeuge, zu gehen. Einige, die eigentlich bleiben könnten und trotzdem zurück in ihre Heimat wollen, treibt oftmals das Heimweh. Glaser erlebt junge Männer aus Afghanistan, die sich das Leben in Deutschland anders vorgestellt haben und sich ohne die Strukturen einer Großfamilie allein fühlen. Viele fürchten aber einen Gesichtsverlust, wenn sie zu ihren Familien zurückgehen. Oft haben die Verwandten viel Geld aufgebracht, um die Flucht nach Europa zu finanzieren.
All diese Dinge spielen in den Rückkehrberatungsstellen wie der von Glaser eine Rolle. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) führt im Auftrag des Bundes und der Bundesländer verschiedene Rückkehrprogramme durch. Bei einem Basisprogramm können Rückkehrer neben den Reisekosten und einer Reisebeihilfe 300 bis 500 Euro einmalige Starthilfe bekommen. Dazu kommt eine Initiative mit dem Namen „Starthilfe Plus“: Wer sich vor Abschluss des Asylverfahrens entscheidet, freiwillig aus Deutschland auszureisen und seinen Asylantrag zurücknimmt, bekommt 1200 Euro. Wer sich erst innerhalb der Ausreisepflicht entscheidet, bekommt 800 Euro. Diese Hilfe gibt es aber nicht für Westbalkanländer. Ein drittes Programm namens Erin bietet Unterstützung bei der Reintegration – etwa vor Ort in Afghanistan oder dem Irak. Das können bis zu 2000 Euro sein für die Förderung von Existenzgründung oder beruflicher Qualifizierung.