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Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags
© dpa/Bernd von Jutrczenka
Update

„So haben wir einfach nichts gemacht“: Röttgen wirft Bundesregierung Tatenlosigkeit in Afghanistan vor

Der CDU-Außenpolitiker Röttgen sieht in Afghanistan einen „dramatischen Scherbenhaufen“. Die Opposition verlangt Rücktritte in der Bundesregierung.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hat die Bundesregierung für ihre Afghanistan-Politik hart attackiert. Sie hätte rechtzeitig mit den europäischen Partnern überlegen müssen, „was unsere Optionen sind, um die fatalen Folgen der amerikanischen Fehlentscheidung“ für den Abzug abzumildern, sagte Röttgen der „Zeit“.

Statt den Amerikanern „hinterherzutrotten“, hätten die Europäer „der afghanischen Regierung wenigstens mit Rat, Logistik und Material zur Seite stehen können“, sagt Röttgen weiter. Die Briten hätten die anderen Europäer gedrängt, mehr zu tun, aber „so haben wir einfach nichts gemacht“.

Röttgen kritisierte auch die Entscheidung zum Abzug. Man hätte mit den Taliban verhandeln müssen unter der Prämisse: „Wir sind hier, und wir sind auch bereit, hier zu bleiben, bis es eine Einigung und stabile Regierung gibt“. Nur so hätte man einen Hebel gehabt, etwas zu erreichen.

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Röttgen bezeichnete darüber hinaus die Situation in Afghanistan als „dramatischen Scherbenhaufen“. „Es ist ein menschliches Drama und eine Katastrophe, es ist eine politische Katastrophe, es ist ein moralisches Scheitern des Westens“, sagte er vor einer Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, dessen Vorsitzender er ist.

Die geostrategischen Auswirkungen seien noch gar nicht überschaubar. „Es ist eine Zäsur, die wir erleben, die alles ergreift und betrifft - vom individuell Menschlichen bis zur Weltlage“, sagte Röttgen.

Röttgen machte deutlich, dass Deutschland bei der Evakuierung von Bundesbürgern und afghanischen Ortskräften nun voll auf das Wohlwollen der militant-islamistischen Taliban angewiesen sei. „Die Taliban sind jetzt die Machthaber im Land“, sagte er. „Alles, was dort stattfindet, findet statt, weil die Taliban es noch dulden. Und nur, sofern die Taliban es dulden.“ Er sehe nicht, welches Druckinstrument der Westen in den Gesprächen mit den Islamisten haben könnte. „Das ist eine der Veränderungen, die stattgefunden hat: dass wir jetzt bitten müssen, dass Rettung möglich bleibt und wie lange sie möglich bleibt. Alles ist jetzt in der Hand der Taliban.“

Jetzt sei nicht die Zeit für parteipolitische Schuldzuweisungen, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf Kritik der Opposition an der Bundesregierung. „Das wird alles kommen, das wird alles aufgearbeitet werden“, versicherte er. In der Sitzung unterrichtete Außenminister Heiko Maas (SPD) die Abgeordneten über die aktuelle Lage in Kabul und die Evakuierung deutscher Bürger und afghanischer Helfer.

Opposition fordert Rücktritte

Angesichts des Chaos bei der Rettung Deutscher sowie einheimischer Ortskräfte aus Afghanistan hat Grünen-Chef Robert Habeck eine lückenlose Aufklärung gemachter Fehler verlangt. „Die Aussagen der Bundesregierung, niemand habe vor der Situation gewarnt, wecken ernsthafte Zweifel“, sagte Habeck der „Rheinischen Post“. Die Verantwortung trügen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerien für Auswärtiges und Verteidigung.

Auf die Machtübernahme der Taliban „hätte man sich vorbereiten können und müssen“, selbst wenn die Geschwindigkeit möglicherweise nicht absehbar gewesen sei, kritisierte der Grünen-Co-Vorsitzende. Er verwies darauf, dass die Grünen bereits im Juni im Bundestag auf eine einfachere Aufnahme afghanischer Ortskräfte gedrängt hatten, was damals von Union und SPD zurückgewiesen wurde. Außenminister Maas habe zudem nicht einmal Warnungen des eigenen Botschaftspersonals in Kabul ernst genommen.

Den Rücktritt gleich der gesamten Bundesregierung forderte der Linken-Politiker Gregor Gysi. „Das Ganze ist desaströs“, sagte er dem MDR. Man hätte bereits im April das Botschaftspersonal und auch die Helfer der Bundeswehr zurückholen können, warf auch Gysi der Regierung schwere Versäumnisse vor.

Rücktritte zumindest der verantwortlichen Ministerinnen und Minister verlangte auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki. „Sowohl die Bundeskanzlerin, als auch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und vor allem Heiko Maas haben das größte außenpolitische Desaster seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zu verantworten. Nie wurden wir schlechter regiert“, sagte Kubicki der „Rheinischen Post“. Rücktritte wären ein wichtiger symbolischer Akt, um zu demonstrieren, dass man in höchsten politischen Ämtern noch Verantwortung übernimmt.

Ein aus Kabul evakuiertes Paar nach der Landung in Taschkent vor einem Transportflugzeug der Bundeswehr
Ein aus Kabul evakuiertes Paar nach der Landung in Taschkent vor einem Transportflugzeug der Bundeswehr
© dpa/Marc Tessensohn/Bundeswehr

Die Bundesregierung hatte mit einer Rettungsaktion für noch in Kabul befindliche Deutsche und für afghanische Ortskräfte der Bundeswehr sowie andere durch die Machtübernahme der Taliban gefährdete Afghaninnen und Afghanen lange gezögert. Erst am Montag begann schließlich ein chaotischer Einsatz, um Menschen vom Flughafen Kabul aus in Sicherheit zu bringen. Insbesondere für afghanische Ortskräfte oder Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft ist der Flughafen jedoch wegen Kontrollstellen der Taliban an den Zufahrten kaum noch erreichbar. (dpa, AFP)

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