NSU-Prozess: Richter Manfred Götzl gerät unter Druck
Wie konnte es passieren, dass im NSU-Prozess die Nebenklage eines erfundenen Opfers zugelassen wurde? Das wollen die Verteidiger Beate Zschäpes jetzt vom Gericht wissen.
In der Affäre um ein erfundenes Opfer im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München geraten nun der Vorsitzende Richter und zwei Kollegen unter Druck. Drei der vier Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe beantragten am Mittwoch, Manfred Götzl und zwei beisitzende Richter sollten dienstliche Äußerungen zur Zulassung der Nebenklage des Phantom-Opfers im Jahr 2013 abgeben.
Die Anwälte listeten mehrere Fragen auf, die vermuten lassen, dass die drei Richter den Antrag auf Zulassung nicht genau genug prüften und Bedenken der Bundesanwaltschaft ignorierten.
Für das vermeintliche Opfer „Meral Keskin“, das bei dem Bombenanschlag des NSU in der Kölner Keupstraße verletzt worden sein sollte, hatte Anwalt Ralph Willms im April 2013 die Zulassung als Nebenklägerin beantragt. Die Richter gaben dem statt, Willms wurde als Vertreter für „Meral Keskin“ beigeordnet.
Im Monat darauf begann der Prozess, an dem Willms bis vergangene Woche teilnahm. Dann legte er sein Mandat nieder und gab an, ein reales Opfer des Anschlags in der Keupstraße habe ihm die Existenz von „Meral Keskin“ vorgetäuscht.
Zschäpes Verteidiger werfen Richter Nachlässigkeiten vor
Zschäpes Verteidiger hielten Götzl und seinen Kollegen am Mittwoch vor, in dem Attest, das Willms für seine angebliche Mandantin vorlegte, hätten in den dafür vorgesehenen Formularfeldern Angaben zu den Personalien, zur Krankenkasse, zur Versichertennummer, zur Nummer des Vertragsarztes, zur Diagnose der Verletzung sowie zu Befunden und Therapie gefehlt. Und das ist nur ein Punkt. Die Verteidiger sagten in ihrem Antrag auch, in den von Anwalt Willms eingereichten Unterlagen seien widersprüchliche Angaben zum Ort der Verletzung von „Meral Keskin“ genannt worden.
Einmal soll sie sich bei der Explosion vor einem Restaurant befunden haben, das andere Mal war sie bei einem „Barbierbesuch“. Zschäpes Verteidiger wollen nun von Götzl und den zwei beisitzenden Richtern wissen, warum sie „diese Diskrepanz“ nicht hinterfragten. Nächster Punkt: Anwalt Willms hatte in dem Antrag auf Zulassung zur Nebenklage behauptet, „Meral Keskin“ sei im Kölner Polizeipräsidium vernommen worden. Doch solch einen Termin gab es nicht. Zschäpes Verteidiger fragen jetzt die drei Richter, ob sie „Recherchen hinsichtlich der Niederschrift“ der angeblichen Vernehmung unternommen haben – und wenn ja, mit welchem Ergebnis.
Auch Bundesanwaltschaft hatte Bedenken
In ihren Antrag erwähnen Zschäpes Anwälte auch die Bedenken der Bundesanwaltschaft gegen eine Zulassung der Nebenklage. Die Anklagebehörde kannte das Opfer „Meral Keskin“ nicht und regte bei den Richtern „Nachermittlungen“ an. Doch die hielt der Strafsenat offenbar nicht für notwendig. Götzl reagierte unwirsch auf den Antrag der Verteidiger. Wann sie selbst sich denn mit der „Diskrepanz“ in den Angaben zum Ort der Verletzung von „Meral Keskin“ befasst hätten, fragte er Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer. Der antwortete trocken, „das ist nicht unsere Aufgabe“.
Wie Götzl und die zwei beisitzenden Richter jetzt reagieren werden, blieb offen. Der Antrag hatte allerdings auch eine unangenehme Nebenwirkung für Zschäpes Anwälte selbst. Der neue, vierte Pflichtverteidiger der Hauptangeklagten, Mathias Grasel, zeigte sich über den Vorstoß der drei Kollegen überrascht. Weder er noch die Mandantin hätten von dem Antrag Kenntnis gehabt, sagte Grasel.
Götzl fragte Heer, ob das zutreffe. Der Anwalt verwies auf „Bedingungen, unter denen eine Absprache nicht möglich ist“. Bekanntlich redet Zschäpe mit Heer und seinen Kollegen Wolfgang Stahl und Anja Sturm nicht mehr. Aber auch der Kontakt der drei Verteidiger zu Grasel ist offenbar dünn. Zschäpes selbst folgte dem Disput mit genervter Miene und sagte, wie üblich, nichts.