NSU-Prozess: Opfer "Meral Keskin" existiert nicht
Es hieß, sie sei beim Nagelbombenanschlag verletzt worden. Doch jetzt scheint klar zu sein: Das NSU-Opfer "Meral Keskin" war frei erfunden.
Der NSU-Prozess am Oberlandesgericht München wird von einer Affäre um ein erfundenes Opfer belastet. Eine „Meral Keskin“, die beim Nagelbombenanschlag der Terrorzelle in der Kölner Keupstraße verwundet worden sein soll, gebe es nicht, hieß es am Montag in Münchner Justizkreisen. Bei der Tat am 9. Juni 2004 in dem türkisch dominierten Viertel hatten mehr als 20 Menschen zum Teil schwere Verletzungen erlitten.
Dem Gericht nannte der Anwalt Ralph Willms eine Mandantin „Meral Keskin“. Der 6. Strafsenat ließ die Nebenklage zu. Im Namen von Willms hat jedoch am Freitag ein Anwalt mitgeteilt, dass die Frau „wahrscheinlich überhaupt nicht existent ist“. Willms behauptet, er sei von einem realen Opfer des Anschlags, Atilla Ö., getäuscht worden und habe Anzeige gegen den Mann erstattet.
Atilla Ö. habe am Wochenende gegenüber dem Bundeskriminalamt angegeben, eine „Meral Keskin“ nicht zu kennen, sagte der Anwalt von Ö. Willms hatte angeblich über Ö. von „Meral Keskin“ erfahren. Und er will Ö. sogar eine Provision gezahlt haben, um an das Mandat zu kommen. So etwas sei „völlig unüblich“, kritisierten Justizkreise.
Obwohl Willms seine Mandantin nicht kannte, kassierte er das Honorar für die Teilnahme am Prozess. Noch vergangenen Dienstag, es war der 232. Verhandlungstag, sagte der Anwalt auf Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl, er habe im Juni Kontakt zu Frau Keskin gehabt. Götzl wollte wissen, wann die Mandantin endlich im Prozess als Zeugin gehört werden könne.
Willms hat nun sein Mandat niedergelegt. Strafrechtliche Konsequenzen für den Anwalt seien nicht auszuschließen, hieß es in Justizkreisen. Mehrere Opfer-Anwälte betonten, der Fall sei „haarsträubend“, dennoch sei die Notwendigkeit der Nebenklage im NSU-Prozess nicht zu bestreiten.