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Noch eine Ergänzung: Kommunalhilfen sollen auch ins Grundgesetz.
© Stephanie Pilick/dpa

Bundeshilfen für schwache Kommunen: "Reparaturbetrieb für Länderversagen"

Der Bund will Kommunen beim Sanieren von maroden Schulen unterstützen. Kritik kommt ausgerechnet vom Landkreistag: Der hält die vorgesehene Grundgesetzänderung für den falschen Weg.

Der Bund hilft gern – zumal er neuerdings nicht mehr so recht weiß, wohin mit dem vielen Geld, das er einnimmt. Als Empfänger für Mittel aus dem großen Bundestopf haben die Verantwortlichen in Bundesregierung und Bundestag verstärkt die Kommunen im Blick. Im großen Paket zur Reform der Bund-Länder-Finanzen, über das derzeit der Bundestag berät, findet sich daher auch der Vorschlag für eine Grundgesetzänderung: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen gewähren für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur.“ Marode Schulgebäude gibt es nicht wenige, über kaputte Schultoiletten regt sich die halbe Republik auf. Gerade in finanzschwachen Kommunen fehlt für die Sanierung häufig das Geld (während es sonst oft eher Planungs- und Genehmigungsverfahren sind, die Sanierungen verzögern). Es ist ein Milliardenpotenzial. Bundespolitiker quer durch die Parteien möchten Retter spielen. Deshalb wurden schon vorab 3,5 Milliarden Euro bewilligt, im Nachtragshaushalt für 2016, „vor dem Hintergrund einer zu erwartenden grundgesetzlichen Ermächtigung“, wie es in der Gesetzesbegründung heißt.

Verantwortung anders verteilt

In den Ländern, in erster Linie zuständig für die Finanzausstattung der Kommunen, gibt es wegen der geplanten Verfassungsänderung durchaus Bedenken. Insbesondere der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fürchtet, dass damit der Bund zu stark in die Zuständigkeiten der Länder eingreifen kann. Eine Bundesratsmehrheit hat er allerdings nicht hinter sich, die meisten Länderchefs sind für das Bundesprogramm. Nun aber gesellt sich eine weitere warnende Stimme hinzu - ausgerechnet aus dem Lager der Kommunen. Der Landkreistag hat (anders als Städtetag und Städte- und Gemeindebund)  massive Zweifel an der Grundgesetzergänzung. Das zuständige Präsidialmitglied des Verbands, Hans-Günter Henneke, bringt seine Kritik in einem Satz auf den Punkt: Finanzhilfen des Bundes „verkommen hier zu einem reinen Reparaturbetrieb für Länderversagen“. Eigentlich haben die Länder die Pflicht, ihre Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können – nicht zuletzt bei der Bildungsinfrastruktur, als o den Schulbauten und der Innenausstattung. Henneke befürchtet, die neue Finanzhilfe des Bundes könnte dazu führen, dass Länder der Pflicht noch weniger nachkommen und im Fall von finanzschwachen Kommunen auf den Bund verweisen. „Bewährte Verantwortungsstrukturen“ würden zerstört.

Belohnung für Schuldenmacher?

Auf die Länder verteilt werden sollen die neuen Finanzhilfen für finanzschwache Kommunen nach drei Kriterien: Einwohnerzahl, Arbeitslosenquote und Kassenkredite. Geld fließt damit nicht zuletzt in den Osten, aber auch nach Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, wo sich finanz- und strukturschwache Kommunen ballen. Damit würden aber jene Länder bestraft, die ihre Kommunen bei der Rückführung der Kassenkredite unterstützt hätten, moniert Henneke und nennt Niedersachsen. Die Logik der Grundgesetzänderung, schreibt der Verbandsvertreter in seiner Stellungnahme zur Anhörung an diesem Montag im Bundestag, wäre, „dass Länder und Kommunen durch eine bewusste Ausweitung ihrer Kassenkredite mit zusätzlichen Finanzhilfen des Bundes belohnt werden“. Anders gesagt: Wer mehr Schulden macht, bekommt Geld aus Berlin.

Der Landkreistag fordert angesichts der verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Zweifel an dem Vorhaben, einen ganz anderen Weg zu gehen: Statt gezielte Finanzhilfen seitens des Bundes einzuführen, sollte die Umsatzsteuerbeteiligung der Kommunen erhöht werden. Dieser höhere Anteil könne dann auch aufgabengerecht verteilt werden. Für die vorgesehene Ausschüttung der 3,5 Milliarden Euro zugunsten von Schulhaussanierungen in finanzschwachen Kommunen braucht es laut Henneke gar keine Grundgesetzänderung, möglich wäre auch, sie über eine Aufstockung der sogenannten Entflechtungsmittel zu verteilen.

Kritik auch vom Bundesrechnungshof

Ebenfalls kritisch, wenn auch aus anderen Gründen, sieht der Bundesrechnungshof die geplante Grundgesetzergänzung (sie soll als Absatz c in den Artikel 104 eingefügt werden). Die Haushaltskontrolleure des Bundes halten generell nicht viel von Finanzhilfen, der Rechnungshof spricht sich seit langem gegen Mischfinanzierungen aus. Seiner Ansicht nach „erhöht das Auseinanderfallen von Finanzverantwortung und Entscheidungsbefugnis über die Verwendung der Mittel die Gefahr unwirtschaftlichen Handelns“, wie es in der Stellungnahme zur Anhörung heißt. Speziell bei Finanzhilfen für Kommunen komme es zu „erheblichen Verzögerungen und beträchtlichem Verwaltungsaufwand“. Das habe das Ganztagschulprogramm gezeigt, das einst die rot-grüne Regierung auf den Weg brachte, aber auch das Zukunftsinvestitionsprogramm der großen Koalition nach 2009. Zudem hat der Bund laut Rechnungshof zu geringe Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten. Die Grundgesetzergänzung bringe das Risiko „einer immer stärkeren Inanspruchnahme des Bundes in einem Bereich, in dem ihm mangels Zuständigkeit die Gestaltungsmöglichkeiten verwehrt sind“. Zudem stelle die Neuregelung „einen weitreichenden Schritt dar, der von der klaren verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung im föderalen System wegführt“.

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