zum Hauptinhalt
Vierzehn Grundgesetzänderungen sind geplant.
© dpa

Reform des Grundgesetzes: Die Balance verloren

Ob Autobahngesellschaft, Finanzausgleich, Steuerverwaltung: Die geplante Verfassungsreform verschiebt das föderale Gewicht noch stärker zum Bund - ohne große Vorteile für die Bürger. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Die Bundesregierung hat es eilig. Eine der größten Grundgesetzreformen seit Bestehen der Bundesrepublik würde sie am liebsten im Hauruckverfahren durchziehen. Zusammen mit den Ministerpräsidenten, denen das Paket im Oktober in einer Art Erpressungsaktion abgenötigt worden war. Der Bund akzeptierte das Ländermodell beim Finanzausgleich, dafür erhob er – auch wenn es inhaltlich nur wenige Berührungspunkte gibt – eigene Gegenforderungen, die ansonsten niemals in der jetzt vorliegenden Form ins Grundgesetz gekommen wären. Die Situation war günstig, sie musste genutzt werden. Weshalb die Ministerpräsidenten, wenn sie sich an diesem Donnerstag mit der Kanzlerin treffen, zu Komplizen machen bei einem Vorhaben, das viele – von den Gewerkschaften und Mittelstandsverbänden über den Bundesrechnungshof bis hin zum Landkreistag – sehr kritisch sehen.

Vierzehn Grundgesetzartikel sollen geändert werden. Darunter fällt die Neuordnung des Finanzausgleichs. Hier haben sich die Länder, weil sie einmal zusammenstanden, durchgesetzt. Ob das Modell wirklich das beste ist, darüber kann man streiten. Machbar ist es jedenfalls. Dass der Bund dabei mehr Geld zuschießt, dass er ein bisschen stärker für die Zahlerländer einspringt - aus Steuerzahlersicht ist das wenig relevant. Dass Entscheidende ist, dass die schwächeren Länder verlässlich ihren Ausgleich bekommen, der ihnen nach dem Grundgesetz zusteht.

Bund als großer Zentralisierer

Aber der Bund nimmt eben seine etwas größere finanzielle Beteiligung zum Anlass, einen föderalen Umbau zu veranlassen, der weitgehend seinen Interessen dient. Was zusätzlich beschlossen werden soll, wäre im Ergebnis ein massives Zentralisierungsprogramm. Ob es sinnvoll ist, daran darf man zweifeln. Die Zentralisierung der Fernstraßenverwaltung etwa wird nach Ansicht des Bundesrechnungshofs in der geplanten Weise kaum funktionieren. Das Vorhaben ist weder durchdacht noch wird es den Bürgern die versprochenen Gewinne bringen. Dagegen drohen Verschlechterungen, weil das System der Verwaltung der regionalen Straßennetze in einer Hand (beim Land) durch eine potenziell störungsanfällige Doppelstruktur (Bund und Land) ersetzt wird. Mit dem Ja zur Bundesautobahngesellschaft entmachten sich die Länder bei einer wichtigen regionalen Aufgabe praktisch selbst. Es ist nur schwer zu verstehen.

Der Plan wurde damit begründet, das Planen, Bauen und Betreiben der Autobahnen effizienter zu machen. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble ging es ursprünglich vor allem darum, eine staatsferne Infrastrukturgesellschaft, am besten als Aktiengesellschaft, zu gründen - mit der Möglichkeit einer Kreditaufnahme für öffentliche Projekte außerhalb des Staatshaushalts. Und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt wollen das Fernstraßennetz mehr oder weniger stark privatisieren, es in großen Einzeltranchen auf Jahrzehnte hinaus an Baukonzerne und Finanzinvestoren vergeben. Damit aber wird die Sache teurer.

Mehr Weisung, mehr Kontrolle

Gleichzeitig möchte Schäuble den Ländern eine noch strammere Schuldenkontrolle auferlegen, in der sein Ressort die entscheidende Rolle spielt. Das mag aus Sicht des Finanzministeriums richtig sein, aber dahinter steckt eben auch ein Föderalismusverständnis, das den Bund quasi als Oberkommandierenden sieht. Entsprechend wird versucht, Weisungs- und Kontrollrechte des Bundes bei der Verwaltungsdigitalisierung, bei Finanzprogrammen des Bundes und in der Steuerverwaltung auszudehnen. Für den Steuervollzug kann das den durchaus sinnvollen Wettbewerb zwischen den Ländern und mit dem Bund zugunsten einer Alleinherrschaft des Bundes beenden – die Verfolgung von Steuerhinterziehung im Ausland, daran sei erinnert, ging vor Jahren eher von einzelnen Ländern aus als vom Bundesfinanzministerium.

Kurzum: Zum Ausgleich für ihren Sieg beim Finanzausgleich sollen die Ministerpräsidenten nun einen Schwall von Grundgesetzänderungen akzeptieren, welche die Balance im Bundesstaat zum Nachteil der Länder verändert, ohne dass erkennbar ist, dass die Bürger wirklich große Vorteile davon hätten.

Zur Startseite