Umstrittene Ostsee-Gaspipeline: Rennen um "Nord Stream 2" wieder eröffnet
Der Bau der Gaspipeline "Nord Stream 2" geht nach längerer Pause weiter. Der politische Streit über das Projekt bleibt ungelöst.
Die „Fortuna“ arbeitet wieder. Das russische Spezialschiff hat nach Angaben der Betreiber am Wochenende angefangen, in der dänischen Ostsee Rohre für die Gaspipeline „Nord Stream 2“ zu verlegen.
Damit geht das Rennen gegen die Zeit in die nächste Phase, das sich Betreiber und Befürworter auf der einen und Kritiker der Pipeline auf der anderen Seite seit gut 15 Jahren liefern. Und ein Ende des Streits ist vorläufig nicht abzusehen.
Denn trotz US-Sanktionen, politischen Druck auch in der EU und ungeachtet des russischen Umgangs mit dem Kreml-Kritiker Alexej Nawalny bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position, dass das Projekt nicht politisch sei, sondern ein rein wirtschaftliches. „Das eine sind seit Jahrzehnten bestehende Wirtschaftsbeziehungen und Wirtschaftsprojekte von Unternehmen, das andere sind schwere Menschenrechtsverletzungen und unsere Reaktionen darauf“, bekräftigte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in der „Bild am Sonntag“.
"Deutliche Antwort" - aber nicht alleine auf deutsche Kosten
Er könne sich eine „deutliche Antwort“ der EU auf die Verhaftung und Verurteilung Nawalnys vorstellen, gab Altmaier zu Protokoll. Mit rechtstaatlichem Verhalten habe dieser „unerhörte Vorgang“ nichts zu tun.
Aber das könne nur eine gemeinsame Antwort der EU-Staaten sein - will sagen: Nicht einfach zu Lasten deutscher Unternehmen, „die Investitionen in enormer Höhe verlieren würden.“
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Man könnte aus diesen Sätzen die stillschweigende Unterstellung herauslesen, dass andere EU-Staaten den Stopp der Gaspipeline auch deshalb fordern, weil sie diese Solidaraktion für Nawalny nichts kosten würde.
Zumindest für Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron sich jüngst in die Riege der „Nord Stream 2“-Kritiker eingereiht hatte, stimmt das nicht ganz. Aber Macrons aufsehenerregende Wende war nur von kurzer Dauer.
Selbst nach der Ausweisung von EU-Diplomaten aus Russland, die angeblich an Protesten von Nawalny-Anhängern gegen Präsident Wladimir Putin teilgenommen haben sollen, betonte Kanzlerin Merkel am Freitag in einer Pressekonferenz mit dem Franzosen, die Haltung zu der Pipeline bleibe davon „erst einmal unberührt.“ Und Macron selbst ruderte nach dem virtuellen Treffen zurück: Er habe verstanden, dass Deutschland für seine Energiepolitik auf Gas angewiesen sei, und sei nunmehr „völlig solidarisch“ mit Berlin.
Altmaier konnte um so leichter bei seiner Position bleiben. Der CDU-Mann und seine Chefin müssen sich aber auch deshalb kaum Sorgen machen, weil sich die Koalitionsparteien ausgerechnet bei einem der ansonsten umstrittendsten Projekte in Europa gegenseitig bestärken.
Auch die SPD steht stramm zum Projekt
Die SPD ist sonst schnell dabei, der Union uneuropäisches Nationaldenken und übergroße Wirtschaftsnähe vorzuhalten. Für „Nord Stream 2“ fahren die Sozialdemokraten vollen Flankenschutz. Augenfälligster Beleg ist die „Umweltstiftung", die Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Regierungschefin Manuela Schwesig mitgegründet hat zu dem einzigen erkennbaren Zweck, die US-Sanktionen gegen alle am Pipeline-Bau beteiligten Firmen zu unterlaufen und das von der russischen Gazprom – Cheflobbyist: Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) – notfalls mit Material und Maschinen zu versorgen.
Die „Fortuna“ braucht diesen Umweg nicht. Der russische Rohrleger setzt nach einem Jahr Zwangspause und einem ersten Probelauf im Dezember den Pipeline-Bau dort fort, wo Schweizer Firmen ihre Spezialschiffe unter US- Druck zurückgezogen hatten.
Dass die USA die „Fortuna“ zu „blockiertem Eigentum“ erklärt haben, dürfte dessen Betreiber KVT-RUS wenig kratzen – in der Ostsee ist amerikanisches Hoheitsgebiet weit. Ungestört zu Ende bringen dürfte aber auch das neue Schiff die Arbeit nicht. Rund 150 Rohrkilometer fehlen noch, davon 30 in deutschen Gewässern. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie hat die Genehmigung dafür bis Ende Mai verlängert. Sie ist aber derzeit ausgesetzt, weil Umweltverbände Einsprüche eingelegt haben.