Opposition in Russland: Regionalbüros von Nawalny als „extremistisch“ eingestuft
Russlands Obrigkeit geht weiter gegen das Netzwerk der Opposition vor. Büros von Nawalny-Helfern sind jetzt auf einer Liste etwa mit dem IS oder Al-Kaida.
Die Regionalbüros der Organisation des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny sind in Russland als "extremistisch" eingestuft worden. Die Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring setzte das Nawalny-Netzwerk am Freitag auf die Liste der "terroristischen und extremistischen" Organisationen, auf der auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und Al-Kaida stehen. Die Regionalbüros hatten sich zuvor bereits selbst aufgelöst, um einem kompletten Verbot infolge der befürchteten Extremismus-Einstufung zuvorzukommen.
Die russische Staatsanwaltschaft hatte Mitte April bei einem Moskauer Gericht beantragt, Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung FBK und die Regionalbüros als "extremistisch" einzustufen. In der Folge eines solchen Gerichtsentscheides würde die Arbeit der Organisationen komplett verboten. Mitgliedern und Unterstützern würden lange Haftstrafen drohen.
Auf der Liste der "terroristischen und extremistischen" Organisationen standen am Freitag zunächst nur die Regionalbüros, nicht die Stiftung.
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Unklar war zudem, ob das Vorgehen der Finanzaufsichtsbehörde mit dem laufenden Gerichtsverfahren in Verbindung steht. Der frühere Leiter von Nawalnys Büros in Moskau, Oleg Stepanow, stellte eine solche Verbindung her. Mit dem Vorgehen gegen die Regionalbüros habe die Finanzaufsichtsbehörde die Entscheidung des Gerichts vorweggenommen, schrieb er im Onlinedienst Telegram. In Russland gegen Korruption zu kämpfen, gelte als "Extremismus". Die russischen Behörden versuchten noch nicht einmal, den Anschein von Rechtsstaatlichkeit zu erwecken.
Der Chef des Netzwerks der Regionalbüros, Leonid Wolkow, war einer Entscheidung der Justiz am Donnerstag zuvorgekommen und hatte die Auflösung der Organisationen erklärt. Einige der 37 Regionalbüros würden ihre Aktivitäten aber als unabhängige politische Organisationen fortsetzen. Am Montag hatte die russische Justiz bereits ein vorläufiges Tätigkeitsverbot für die Nawalny-Organisationen verhängt.
Die Regionalbüros spielen bei Wahlen eine große Rolle, da sie immer wieder Kampagnen für "intelligentes Wählen" organisieren. Dabei rufen sie dazu auf, unabhängig von der Partei für jenen Kandidaten zu stimmen, der die besten Aussichten gegen den Kreml-treuen Kandidaten hat. Die Zustimmungswerte für die Partei von Russlands Präsident Wladimir Putin, Geeintes Russland, sind vor der Parlamentswahl im September derzeit so schlecht wie selten.
Nawalny-Anwalt Pawlow verhaftet
Nawalnys Stiftung deckte in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle von Korruption auf. Zuletzt machte sie im Januar Schlagzeilen mit einem Bericht über ein riesiges Luxus-Anwesen am Schwarzen Meer, das Präsident Wladimir Putin gehören soll. Das entsprechende Youtube-Video wurde 116 Millionen Mal angeklickt. Nawalny hatte im vergangenen August einen Anschlag in Russland mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe überlebt, für den er den Kreml verantwortlich macht. Nach seiner Behandlung in der Berliner Charité wurde er nach seiner Rückkehr im Januar in Russland festgenommen und später wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen zu mehr als zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt.
Auch Nawalnys Mitarbeiter und Organisationen sind immer wieder Ziel von polizeilichen Durchsuchungen und Festnahmen. Am Freitag wurde der bekannte Menschenrechtsanwalt Iwan Pawlow festgenommen, der auch Nawalny und seine Stiftung vertritt.
Die von Pawlow geleitete Organisation Team 29, ein Zusammenschluss von Anwälten und Journalisten, die sich für Meinungsfreiheit in Russland einsetzen, erklärte auf ihrer Internetseite, Pawlow sei nach einer Durchsuchung in Moskau festgenommen worden. Ihm wird demnach vorgeworfen, Informationen aus einem Ermittlungsverfahren preisgegeben zu haben. Um welches Verfahren es genau geht, war zunächst unklar. (AFP)