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Unterstützer des Oppositionspolitiker Nawalny können künftig strafrechtlich verfolgt werden.
© Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Arbeitsverbot für Nawalnys Organisation: Putin will die totale Kontrolle

Der Präsident kann nicht mehr mit Wohlstand oder imperialer Größe punkten. Jetzt liquidiert er die letzte politische Opposition. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Herold

Die Herrschaft des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist in ihrem dritten Jahrzehnt. Im ersten konnte der Kreml mit einem gewaltigen Wirtschaftswachstum und steigendem Wohlstand die Bevölkerung überzeugen, im zweiten setzte er mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Osten der Ukraine erfolgreich auf eine imperiale Renaissance.

Doch im dritten Jahrzehnt scheinen Putin die positiven Erzählungen zur Legitimierung seiner Macht ausgegangen zu sein. Heute mag der Präsident – wie gerade in der Rede zur Lage der Nation – seinen Landsleuten versprechen, sie könnten ihr Lebensniveau behalten. Sie glauben ihm nicht. Auch von imperialer Größe sind sie kaum noch zu überzeugen.

Deshalb wird der Druck auf die Unzufriedenen erhöht. Dazu gehört nach der Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny nun auch das Arbeitsverbot für dessen Organisationen und seine Anhänger, das ein Moskauer Gericht am Montag ausgesprochen hat. Noch ist es „nur“ eine einstweilige Verfügung, aber es kann keinen Zweifel geben, wie das Verfahren in der Hauptsache ausgeht. Die einzige landesweit organisierte oppositionelle Kraft außerhalb des Systems Putin wird liquidiert werden. Übrig bleiben Parteien, die sich zwar Opposition nennen, die aber von den Kommunisten bis zur faschistoiden Shirinowski-Partei fest zum Kreml stehen, wenn es darauf ankommt.

Jeder Bürger kann verurteilt werden, der mit der Nawalny-Organisation in Verbindung gebracht wird

Nach dem Verbot der Nawalny-Strukturen können nicht nur alle Aktivisten zu Haftstrafen zwischen sechs und acht Jahren verurteilt werden, sondern jeder Bürger, der irgendwie mit diesen Organisationen in Verbindung steht. Jeder, der im Netz Sympathien mit Nawalny äußert, der Geld spendet oder der sich auch nur an Protesten beteiligt, die von Oppositionellen organisiert werden. Es geht nicht um das Verbot der Nawalny-Organisationen allein. Der Kreml will die vollständige Kontrolle über den öffentlichen Raum.

Dafür wird an Nawalny und seinen Mitstreitern ein Exempel statuiert, das auch diejenigen abschrecken soll, die mit ihm gar nichts zu tun haben. Im Herbst sind Parlamentswahlen. Die kann man wegen der Manipulationen nicht als Abstimmungen bezeichnen. Aber sie sollen der eigenen Bevölkerung wie auch dem Ausland ein Signal der politischen Einheit des Landes senden.

Und sie sind ein Test für die Effizienz des Machtapparates, das zeigen soll, wie dessen Angehörige die ihnen zugewiesenen Aufgaben meistern. Die Justiz wird dafür im Sinne Putins ihre Probe bestehen und die Stukturen Nawalnys zerschlagen. Dann ist es an den Sicherheitsorganen und den Provinzfunktionären, ihre Rolle zu spielen.

Bundesaußenminister Heiko Maas sieht in dieser Situation keine Notwendigkeit, den Druck auf den Kreml zu verstärken, er hält dies sogar für kontraproduktiv. Mehr noch: Er versucht, Rufe nach einem harten Kurs mit Worten wie „Konfrontationsgeschrei“ zu diffamieren.

Da wird man sich im Kreml wohl eine kleine Kerze angezündet haben. Zumal Maas keinerlei Erklärung abgab, wie er den Dialog künftig zu führen gedenkt. Vor allem aber hat er offengelegt, dass der Westen gespalten ist, dass er keine gemeinsame Strategie für den Umgang mit Moskaus Konfrontationskurs hat. US-Präsident Biden versucht es mit Härte und verhandeln – und scheint damit eine Sprache zu sprechen, die Putin versteht. Dem von Biden vorgeschlagenen Gipfel jedenfalls verweigert er sich nicht.

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