Korruptionsaffäre in Spanien: Regierungschef Rajoy kritisiert Sozialisten für Misstrauensantrag
Der spanische Staatsgerichtshof hat ehemalige Führungskader der regierenden Volkspartei wegen Korruption verurteilt. Jetzt fordern Sozialdemokraten und Liberale Konsequenzen.
Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy hat am Freitag einen von der Opposition gegen ihn eingebrachten Misstrauensantrag scharf kritisiert. „Das ist schlecht für Spanien und schlecht für die Spanier und erzeugt nur Unsicherheit“, sagte der 63-Jährige vor Journalisten. Die Sozialisten (PSOE) hätten den Antrag in einem extrem schwierigen Moment für das Land gestellt, betonte Rajoy mit Blick auf die Katalonien-Krise. Einziges Ziel sei es, PSOE-Chef Pedro Sánchez um jeden Preis an die Macht zu bringen.
Die Sozialisten, die größte Oppositionspartei Spaniens, hatten am Morgen den Antrag als Reaktion auf die Gerichtsurteile in der Korruptionsaffäre der spanischen Regierungspartei PP eingebracht. Auslöser war die Verurteilung des früheren PP-Schatzmeisters Luis Barcenas zu 33 Jahren Haft. Ihm werden Geldwäsche, persönliche Bereicherung und Steuerstraftaten zur Last gelegt. Die Taten stehen mit schwarzen Kassen im Zusammenhang, die die Partei in den 90er und frühen 2000er Jahren für Wahlkämpfe nutzte.
Der nationale Strafgerichtshof hatte Rajoys konservative Volkspartei am Donnerstag wegen Verwicklung in den Skandal - der unter dem Namen „Operación Gürtel“ bekannt ist - zu einer Geldstrafe von 245.000 Euro verurteilt. Neben Ex-Schatzmeister Barcenas wurden mehrere andere ehemalige Parteimitglieder zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt. Insgesamt gab es am Donnerstag 29 Verurteilungen.
Gericht äußerte Zweifel an Rajoys Aussagen
Rajoy hat jegliches Fehlverhalten von sich gewiesen. Das Gericht äußerte am Donnerstag allerdings Zweifel an der Zeugenaussage des studierten Juristen, wonach es keine schwarzen Kassen gab. Wenige Stunden vor dem Urteil hatte Rajoy angedeutet, dass er bei der Parlamentswahl 2020 erneut antreten will. Viele Experten gehen inzwischen aber davon aus, dass er eine Rebellion in seiner eigenen Partei fürchten muss.
Unklar ist, ob Rajoys Gegner im Parlament genügend Stimmen für ein Misstrauensvotum zusammenbekommen und wann das Votum stattfinden soll. Rajoys Volkspartei (PP) verfügt nicht über die absolute Mehrheit, so dass Sozialisten und Ciudadanos ("Bürger") gemeinsam mit der populistischen Podemos den 63-Jährigen stürzen könnten.
Die Ciudadanos sind zwar nicht Teil der Regierung, unterstützten aber die Konservativen bisher. So gelang es mit ihrer Hilfe, am Mittwoch das Haushaltsgesetz durchs Parlament zu bringen. Der hochrangige Ciudadanos-Vertreter Jose Manuel Villegas sagte nun auf einer Pressekonferenz: "Wenn Rajoy nicht Neuwahlen ausruft, sind wir zu einem Misstrauensantrag bereit, um Wahlen abzuhalten." Die Sozialisten setzen auf eine umgekehrte Reihenfolge: Sie wollen Rajoy stürzen, eine Übergangsregierung bilden und so schnell wie möglich Neuwahlen ansetzen, wie Parteichef Pedro Sanchez auf einer Pressekonferenz ankündigte.
Renditen auf spanische Staatsanleihen stiegen
Die Finanzmärkte reagierten auf die Entwicklungen verschreckt. Der Ibex-Index gab bis zum frühen Nachmittag 1,8 Prozent ab. Zugleich verbilligten sich spanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit um ein Prozent.
Mit Italien und jetzt auch Spanien geraten die Länder mit den dritt- und viertgrößten Volkswirtschaften der Euro-Zone in Turbulenzen. In Rom wollen die populistischen Parteien 5 Sterne und Lega eine Koalition bilden. Sie wollen höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen und eine Rücknahme der Rentenreform, was viele Milliarden Euro kosten würde. (Reuters)