Insgesamt 301 Todesopfer in Soma geborgen: Regierung erklärt Sucharbeiten in türkischem Bergwerk für beendet
Nach dem Grubenunglück in Soma stehen die Bergungsarbeiten vor dem Abschluss. Die Leichen der wohl letzten beiden Vermissten wurden an die Oberfläche gebracht. In Istanbul riefen Gegner der türkischen Regierung für Samstagabend zu Protesten auf.
Vier Tage nach dem schweren Bergwerksunglück in der Türkei hat die Regierung die Sucharbeiten in dem Stollen für abgeschlossen erklärt. Die letzten zwei noch vermissten Bergarbeiter seien tot geborgen worden, niemand werde mehr vermisst, sagte Energieminister Taner Yildiz am Samstag am Unglücksort in Soma. Damit liege die endgültige Zahl der Todesopfer bei 301. Weitere 485 Kumpel hätten überlebt. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Nachmittag, die Leichen der nach derzeitigem Kenntnisstand letzten beiden vermissten Kumpel seien aus der Zeche geborgen worden. Yildiz sagte, vor einem Ende der Bergungsarbeiten würden die Teams das Bergwerk ein weiteres Mal gründlich durchsuchen.
Das Grubenunglück hat wütende Proteste gegen die Regierung ausgelöst, der Kritiker eine Mitschuld an der Katastrophe geben. Nach den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei am Freitag in Soma dauerten die Spannungen dort am Samstag an. Augenzeugen berichteten, zwischen 50 und 100 Menschen hätten sich geweigert, Aufforderungen der Polizei Folge zu leisten und ihre Versammlung aufzulösen. Nach einem Wortgefecht hätten Polizisten einige Menschen geschlagen und mehrere festgenommen.
Auch für Samstag wurde zu neue Protesten in Istanbul aufgerufen
Regierungsgegner riefen für Samstagabend in Istanbul zu Protesten auf. Am Freitag war die Polizei in Soma mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorgegangen. Auch in Istanbul und Izmir kam es zu Zusammenstößen. Demonstranten forderten den Rücktritt der Regierung. Ihr wird unter anderem vorgeworfen, schärfere Sicherheitskontrollen verhindert zu haben.
Für zusätzliche Brisanz sorgten Vorwürfe, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe bei einem Besuch in Soma am Mittwoch einen Mann geohrfeigt, der ihn ausgebuht habe. Das von Regierungskritikern als Beleg für den Vorfall gewertete Video ist in der entscheidenden Sequenz allerdings so verwackelt, dass Erdogans Verhalten nicht klar zu erkennen ist. Erdogans Partei AKP wies die Vorwürfe zurück.
Erdogan war bei seinem Besuch in Soma am Mittwoch von einer Menschenmenge ausgebuht und ausgepfiffen worden. Der Ministerpräsident hatte unter anderem die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in der Türkei heruntergespielt und gesagt: „Solche Unfälle passieren ständig.“ Für Empörung hatte auch Erdogan-Berater Yusuf Yerkel gesorgt, der bei dem Besuch auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintrat. Yerkel entschuldigte sich inzwischen.
US-Präsident Barack Obama bot der Türkei Hilfe an. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül drückte Obama sein Beileid aus. Welche Hilfe genau er dem Land zukommen lassen wollte, blieb in einer Mitteilung des Weißen Hauses zunächst unklar.
Die schwerste Katastrophe in der Geschichte der Türkei
Die Bergwerkskatastrophe ist die schwerste in der Geschichte der Türkei. Aus der Unglückszeche trat am Samstagmittag weiterhin Rauch aus, wie ein dpa-Reporter aus Soma berichtete. Im strömenden Regen dauerten die Beerdigungen der vielen Toten an.
Politiker von CDU, SPD, CSU und Grünen kritisierten derweil einen für kommenden Samstag (24. Mai) in Köln geplanten Auftritt Erdogans. Forderungen nach einer Absage der Großveranstaltung wurden laut.
Erdogans Partei AKP hat betont, der Auftritt in Köln sei keine Wahlkampfveranstaltung, sondern würdige das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Kritiker gehen jedoch davon aus, dass Erdogan türkischer Präsident werden und in Köln um Stimmen werben will. An der Präsidentenwahl am 10. August dürfen erstmals auch die im Ausland lebenden Türken teilnehmen. (dpa/AFP)