Berliner Wohnungsmarkt: Reform des Mietspiegels spielt Vermietern in die Karten
Der Senat will die Übersicht über den Wohnungsmarkt objektiver gestalten. Doch gegen steigende Mieten gibt es andere Hilfsmittel. Ein Kommentar.
Heimlich, still und leise hat der Senat ihn vorbereitet, seinen Eingriff in den Mietspiegel. Vermieter und Mieter ziehen mit. Die Arbeitsgruppe ist auf Kurs, die Guerilla-Taktik der Stadtentwicklungssenatorin aufgegangen.
Dass kein Mucks nach außen dringen sollte, hängt mit der Angst vieler Berliner zusammen, ihre Wohnung zu verlieren. Die Mieten steigen so stark wie nirgends sonst im Lande. Auch jetzt schwappt wieder eine Welle von Erhöhungen über die Stadt. Und die Hauseigentümer berufen sich auf den jüngst erschienenen Mietspiegel 2017.
Der Mietspiegel wird von Mietern und Vermietern mitgestaltet
„Mieterhöhungsspiegel“ nennen Aktivisten das Zahlenwerk, das die „ortsübliche Miete“ widerspiegeln soll. Und dass dieses vor allem den Vermietern diene. Das ist falsch, denn auch wenn viel gefeilscht wird bei der Erstellung: In der Arbeitsgruppe sind Mieter ebenso vertreten wie Vermieter. Und das Ergebnis wurde nach dessen Erarbeitung nicht etwa von den Mietern angefochten, sondern von den Vermietern. Angeblich spiegeln die geringen Mieten nicht den Markt wider.
Zuletzt hatte das der Chef der Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen wortgewandt im Abgeordnetenhaus erklärt – und beeindruckte damit offensichtlich Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Die Aktiengesellschaft hatte zuvor auch vor Gericht wiederholt den Mietspiegel attackiert. Ohne Erfolg. Vor allem die Bewertung der Wohnlagen erzürnt die Unternehmer.
„Objektive“ Indikatoren sollen diese Einstufung nun „rechtssicher“ machen. Nur: Auch Indikatoren werden ausgehandelt. Es lässt sich leicht voraussagen, dass Vermieter den neuen „objektiven“ Mietspiegel wieder nicht unterzeichnen werden, wenn er ihnen nicht genug Spielraum für Mieterhöhungen bietet. Zumal es objektiv an Wohnraum mangelt. Und der Mietspiegel dies in der Dramatik keineswegs berücksichtigt. Die Vermieter können nur gewinnen.
Und noch etwas gilt als wahrscheinlich unter Experten: Quartiere innerhalb des S-Bahn-Rings werden bei einer Reform des Mietspiegels aufgewertet. Weil alle ins Zentrum wollen. Die Senioren mit der guten Rente, weil Arzt und Apotheke, Läden und Theater um die Ecke sind. Die Studis, weil hier ihre Partymeilen liegen. Das digitale Prekariat, weil es Tag und Nacht seine Netzwerke in Cafés und Bars pflegen muss, um den nächsten Auftrag zu ergattern. Die Anwälte und Berater, weil sie keine Zeit fürs Pendeln haben.
Wer den Mietern wirklich helfen will, muss mehr bauen
Verlieren könnten dabei sanierte Großsiedlungen am grünen Rand der Innenstadt. Dabei bescheinigen viele diesen eine gute Wohnqualität. Dagegen droht abgewohnten Altbauquartieren an vierspurigen Hauptstraßen mit Ein-Euro- Shops nun die Aufwertung. Beschleunigen würde das nur die Verdrängung. Denn wo Spielraum für Mieterhöhungen ist, wittern Spekulanten pralle Renditen.
Diese Risiken zeigen: Ohne Not lässt sich der Senat auf einen Tanz mit dem Teufel ein. Es gab keine Anzeichen dafür, dass Gerichte den Mietspiegel kippen. Und dieser bremste den Mietenanstieg jedenfalls so weit, dass die Vermieter murrten. Wer den Mietern wirklich helfen will, muss etwas ganz anderes leisten: mehr bauen.
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