Wohnungspolitik in Berlin: Senat plant Angriff auf den Mietspiegel
Der Senat stellt das System zur Wohnlagen-Bewertung um. Kritiker warnen vor der Aufwertung von weiten Teilen der Innenstadt.
Das wichtigste Instrument zur Regulierung der Mieten wird grundlegend überarbeitet. Bereits im kommenden Mietspiegel 2019 für Berlin sollen die Wohnungen nicht mehr nach den bisherigen Kriterien in einfache, mittlere oder gute Lagen eingestuft werden. Und von dieser Bewertung hängt letztlich die Höhe der Miete stark ab. Das alles soll nun nach „objektiven“ und vergleichbaren „Indikatoren“ erfolgen – und Einwendungen von Bürgern oder Hauseigentümern werden dann nicht mehr berücksichtigt.
Verkündet hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung diese Entscheidung nicht.
Ein langwieriger Prozess
Wer allerdings auf der Website von Berlins Verwaltung die Mietspiegel-Lage seiner Wohnung ausfindig machen will, stößt statt auf der Eingabemaske auf diese Meldung: „Die Arbeitsgruppe Mietspiegel hat entschieden, die Wohnlageeinstufung im Mietspiegel 2019 durch eine flächendeckende und datenbasierte Aktualisierung durchzuführen“. Künftig würden Wohnlagen „auf Basis eines statistischen Verfahrens ermittelt, das eine objektive Lagebeurteilung ermöglicht“.
Kommentieren will die Verwaltung von Senatorin Katrin Lompscher (Linke) die Entscheidung nicht. Bei der Umstellung handle es sich um einen „aufwändigen und langwierigen Prozess“. Mit den Partnern der Arbeitsgruppe Mietspiegel sei vereinbart, die Diskussionen nicht zu kommentieren.
Auf diese Weise war bisher auch Streit zwischen Mietern und Vermietern bei der Erarbeitung des alle zwei Jahre neu herauskommenden Mietspiegel vorgebeugt worden. Der drohte insbesondere bei Einstufungen von Miethäusern in eine der drei Wohnlagen. Zumal dabei gilt: Je besser die Lage, desto höher ist der Mieterhöhungsspielraum.
Einfach hochgestuft?
Vor allem Vermieter hatten sich deshalb mit zahlreichen „Einwänden“ gegen Einstufungen bestimmter Quartiere als einfache oder mittlere Lagen hervorgetan. Mehr als 1100 waren es bei der Erarbeitung des Mietspiegels 2017. Durch solche „Aufwertungen“ waren sprunghaft deutliche Mieterhöhungen möglich. So hatte auch der Chef der Deutschen Wohnen Michael Zahn bei der Anhörung im Abgeordnetenhaus über die umstrittenen Geschäftspraktiken der Firma die Einstufung der Wohnlagen scharf attackiert.
Zunehmend wehrten sich aber auch Mieter gegen vermeintlich zu gute Einstufungen ihrer Wohnlage. Das führte in der Arbeitsgruppe zum Mietspiegel zu langen Diskussionen und vielen Terminen außer Haus: Denn im Streitfall besichtigten die Experten das Haus und den Kiez vor ihrer Entscheidung.
Damit soll nun Schluss sein. Entschieden wird künftig vom Schreibtisch aus anhand von „objektiven“ Indikatoren, die endgültig festgelegt werden. Wie stark diese einfließen und die Einordnung der Lage beeinflussen, darüber werden Mieter und Vermieter aber wieder heftig streiten.
Kritiker warnen bereits: „Da werden ganze Wohnlagen verrutschen.“ Es sei mit der Aufwertung von weiten Teilen der Innenstadt zu rechnen, etwa die früheren Arbeiterquartiere von Kreuzberg bis Oberschöneweide.
Denn tatsächlich messbare Indikatoren sind: Nähe zu U- und S-Bahn, Dichte an Ärzten und Läden, Schulen und Kitas – und demnach wäre etwa Neuköllns Karl-Marx-Straße eine gute Lage. Zwar lasse sich mit Indikatoren wie dem Sozialatlas einiges zurecht biegen. Ob sich allerdings wirklich ein objektiver und zutreffender Indikatoren-Cocktail mixen lasse, sei höchst ungewiss. Zumal auch Einfamilienhaus-geprägte Grünlagen wie Lankwitz in einen Abwärtsstrudel geraten könnten. So oder so, die Mieter in Berlin dürfen sich auf böse Überraschungen im neuen Mietspiegel 2019 gefasst machen.