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Protest vor dem Bundesrat am Freitag
© dpa

Asylkompromiss mit Winfried Kretschmann: Reform des Asylrechts spaltet die Grünen

Ausgerechnet der einzige grüne Ministerpräsident hilft der Bundesregierung zur Mehrheit für ein schärferes Asylrecht. Die Partei ist wütend auf Winfried Kretschmann.

Gegen den Widerstand fast der gesamten Grünen-Führung hat Baden- Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Weg für ein neues Asylrecht freigemacht. Die grün-rote Landesregierung verhalf dem Entwurf der großen Koalition am Freitag im Bundesrat zur Mehrheit. Kretschmann verteidigte den Alleingang mit „substanziellen Verbesserungen“, die die Bundesregierung zugestanden habe. Führende Grüne widersprachen. Der Innenpolitiker Volker Beck warf dem Parteifreund vor, er habe ein Menschenrecht „gegen einen Appel und ein Ei verdealt“. Auch Flüchtlingsverbände kritisierten die Entscheidung.

Kretschmann: Asyleinschränkung von 1993 war falsch

Das neue Asylrecht stuft Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als „sichere Herkunftsländer“ ein. Flüchtlinge aus diesen Staaten können jetzt nur noch in seltenen Ausnahmen Asyl bekommen. Die Bundesregierung hat im Gegenzug angeboten, die Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Deutschland zu verbessern. So sollen Flüchtlinge nach 15 Monaten freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben und Hilfen in Geld statt als Sachleistungen erhalten. Die Residenzpflicht, die Asylbewerber auf ihren zugewiesenen Landkreis beschränkt, soll in der Regel entfallen. Der Bund stellte auch weitere Finanzhilfen für Städte und Gemeinden in Aussicht.
Kretschmann erklärte, er habe sich „im Sinne der Flüchtlinge und der Kommunen, aber auch des gesellschaftlichen Zusammenhalts in unserem Land“ entschieden. Die „sicheren Herkunftsländer“ seien mit der Einschränkung des Asylartikels im Grundgesetz 1993 eingeführt worden. Er halte dies bis heute für falsch, „dennoch hat es Verfassungsrang“.

Lieber Syrer als "Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan"

Der Grünen-Parteirat hatte am Abend zuvor vergeblich versucht, Kretschmann umzustimmen und zumindest weitere Verhandlungen zu erreichen. „Ich halte die Entscheidung für falsch“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter dem Tagesspiegel. „Die Ergebnisse der Verhandlungen sind zu gering, um aus meiner Sicht eine Zustimmung zu rechtfertigen.“ Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt sagte, man sei bereit gewesen, über substanzielle Verbesserungen zu verhandeln. „Die gab es aber nicht.“
In einem Beschluss des Grünen-Parteirats wird die Asylreform scharf kritisiert. Eine direkte Attacke auf Kretschmann vermied das Gremium durch die Formulierung, man respektiere andere Abwägungen in grün mitregierten Ländern. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sagte, die Tinte für diesen Kompromiss komme „aus dem Gefrierschrank“. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sprach von einem „schmutzigen Deal auf Kosten der Menschenrechte“. Linken-Chef Bernd Riexinger sagte dem Tagesspiegel: „Die baden-württembergischen Grünen haben ihrer Bundespartei einen Bärendienst erwiesen. Mit grünen Stimmen wird das Flüchtlingsrecht verschärft. Das ist nicht nur ein Novum. Das ist Verrat an der eigenen Identität. Den Grünen steht jetzt eine muntere Debatte bevor."
Die Union hingegen begrüßte die Einigung. CDU-Generalsekretär Peter Tauber erklärte, die Kommunen könnten nun leichter Flüchtlingsströme bewältigen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte: „Wer lebend aus Aleppo herausgekommen ist, braucht unsere Hilfe dringender als Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan.“

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