Gemeinsamer Appell von Prominenten: Rasch raus aus dem Corona-Lockdown
Boris Palmer, Juli Zeh, Alexander Kekulé und weitere Persönlichkeiten sehen eine Alternative zum Shutdown – mit dem Schutz von Älteren und Risikogruppen.
Die Corona-Krise mit all ihren Folgen ist eine Zumutung für Gesundheitssysteme, Wirtschaft und jeden Einzelnen. Sechs Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur fordern in einem Debattenbeitrag im „Spiegel“, den Lockdown schnellstmöglich zu beenden, um zerstörerische Folgen abzuwenden. Sie wollen einen Weg aufzeigen, die Güter Gesundheit und Freiheit miteinander zu vereinbaren.
Verfasser des Beitrags sind der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der Virologe Alexander Kekulé, der Philosoph und Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, die Ökonomen Christoph M. Schmid und Thomas Straubhaar und die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh. Der Lockdown sei „im Begriff, unser soziales, kulturelles und wirtschaftliches Leben zu ruinieren.“, heißt es im Beitrag, der am Freitag erschienen ist. „Wir müssen Gesundheit, Wirtschaft und Rechtsstaat gleichermaßen schützen.“
Die Verfasser wollen allerdings nicht die drei schützenswerten Ziele – Geld, Grundgesetz und Leben – gegeneinander aufwiegen, sondern argumentieren, dass sich diese vielmehr gegenseitig bedingen.
Wegen enormer Schäden für die Volkswirtschaft durch den Lockdown und Folgen für Wohlstand und Gesundheit der Bürger fordern die Verfasser ein möglichst schnelles Endes des Lockdowns – und zwar auf eine andere Weise, als die aktuell von der Bundesregierung und den Ländern verfolgten Strategien. Die eingeleiteten Lockerungsmaßnahmen würden „die Republik noch viele Monate, vielleicht sogar Jahre unter das Joch der täglich wechselnden Fallzahlen stellen“, so die Autoren. Unvorhersehbare Eingriffe könnten sich in Intervallen wiederholen.
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Ihr Gegenentwurf sieht folgendermaßen aus: Ältere und Risikopersonen müssten besonders geschützt, Infektionen effizient nachverfolgt werden. Das vorrangige Ziel müsse sein, die Kapazitäten der Krankenhäuser nicht zu überlasten. Das könne erreicht werden, wenn man dafür sorgt, dass insbesondere die sich nicht infizieren, bei denen ein schwerer Verlauf wahrscheinlich ist. Gleichzeitig sei verfassungsrechtlich und ökonomisch geboten, die Allgemeinheit von den strengen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu entlasten.
Ungleichbehandlung durch Grundgesetz gedeckt
Eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen sehen die Autoren als verfassungsrechtlich gedeckt, sogar geboten. „Gleichbehandlung nach dem Grundgesetz kann auch bedeuten, Ungleiches ungleich zu behandeln, also sachliche Unterschiede zu berücksichtigen. Wenn wir auf jegliche Differenzierung verzichten, damit sich niemand diskriminiert fühlt, fallen die Einschränkungen für alle viel größer aus.“, so die sechs Verfasser.
Doch wie könnte ein schneller Ausstieg aus dem Lockdown in der Praxis aussehen? Alte und kranke Menschen müssten mit „speziellen Schutzmasken“ ausgestattet werden, es müsse dafür gesorgt werden, dass Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden, damit diese Besuch empfangen könnten. Weitere wichtige Pfeiler seien der Schutz von Altenpflegepersonal und Unterstützungsangebote der Kommunen etwa beim Einkaufen.
Ein weiteres von den Verfassern gefordertes Maßnahmenbündel betrifft das schnelle Aufspüren und die Nachverfolgung von Infektionsfällen. Es brauche neue Testverfahren, den Einsatz modernster Datentechnik und einen gesellschaftlichen Konsens, wie die gesellschaftlichen Lasten gerecht verteilt werden können.
Wie genau dies schon in naher Zukunft umgesetzt werden könnte, lässt der Debattenbeitrag offen. Nach wie vor ist Schutzausrüstung Mangelware, Erfahrungen der vergangenen Wochen zeigen, dass Pflegeeinrichtungen besonders anfällig für die Verbreitung des Virus sind.