Schutz vor dem Coronavirus: An diesen Stellen hakt die deutsche Schutzmasken-Produktion
Die Maskenfertigung ist über Jahrzehnte nach Asien verlagert worden. Jetzt soll sie in Deutschland wieder hochgefahren werden. Doch das ist nicht so einfach.
Das hatten sich die Brautkleidhersteller aus Tempelhof so schön vorgestellt. Da in diesen Zeiten ja kaum noch geheiratet wird, wollten die 40 Mitarbeiter von Bianco Evento Masken und Schutzkittel produzieren. Doch es gibt kein Material.
An diverse Vlieshersteller in Deutschland habe man sich vergeblich gewandt, und auch Gummibänder seien nicht zu kriegen. Und so wird das also vorerst nichts mit 35.000 Masken und 5000 Kitteln, die Bianco Evento jede Woche fertigen wollte.
„Leider sind unsere Fertigungskapazitäten für Vliesstoffe für Atemmasken vollkommen ausgeschöpft“, heißt es bei der Firma Sadler im fränkischen Schwarzenbach. „Wir können daher voraussichtlich bis Anfang Juni keine Neuaufträge bearbeiten.“ Sadler beliefert vor allem den bayerischen Autozulieferer Zettl, der im Auftrag der Landesregierung auf Schutzmasken umgestellt hat. Für rund eine Million Masken soll Sadler Fließe liefern.
Es gibt zu wenige Vliese
„Die virendichten Vliese sind der Knackpunkt“, sagt Diethelm Carius vom Verband des deutschen Maschinenbaus (VDMA). Für Masken braucht man Ohren- und Nasenbänder, Vliese und Konfektionsmaschinen, die falten und per Ultraschall schweißen.
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Es gibt zu wenige Vlieshersteller in Deutschland, und deshalb auch kaum Unternehmen, die Vliesmaschinen bauen. Am vergangenen Montag hatte Carius im Rahmen eines Webmeetings rund 40 Maschinenbauer versammelt, die sich für eine Produktion von Schutzkleidung interessieren.
Schutzmasken sowie die dafür erforderlichen Maschinen werden seit Jahrzehnten in Fernost produziert. Jetzt soll die Verlagerung rückgängig gemacht werden, aber das braucht Zeit. Zumal es für die erforderlichen Anlagen in Taiwan, China oder Japan Exportverbote gibt.
Also wollen die deutschen Maschinenbauer, die in den meisten Produktkategorien Weltmarktführer sind, sich wieder selbst an die Maskentechnik wagen. „Das ist kein Hexenwerk“, sagte Carius dem Tagesspiegel, doch zwei bis drei Monate werde es wohl dauern. Das Bundesgesundheitsministerium sieht in seinen Ausschreibungen für entsprechende Anlagen einen Produktionsbeginn bis spätestens Mitte August vor.
750 000 Masken am Tag
In Baden-Württemberg ist man schneller. Bereits am Freitag hat ein Konsortium mit dem Namen Fight die Produktion begonnen, in der kommenden Woche sollen hunderttausend FFP2-Masken hergestellt werden. Als Erstabnehmer ist das Stuttgarter Ministerium für Soziales und Integration dabei. Produziert werden die Masken von der Sporlastic GmbH in Nürtingen, die Vliese stammen von der RKW Group in Gronau und die Produktionsanlagen von Reicofil in Troisdorf.
Für den wissenschaftlichen Input sorgen Textiltechnikinstitute aus Aachen und Chemnitz, Zulassungen und Zertifizierungen gewährleisten die Dekra und das Institut für Arbeitsschutz. Das Projekt- und Netzwerkmanagement sowie die Einkaufs- und Verkaufsverhandlungen übernimmt die Consultingfirma Gherzi.
„Es bildet sich gerade in Deutschland ein Masken-Wertschöpfungsnetzwerk“, sagt Gherzi-Chef Yves Gloy. Die Pläne des Fight-Konsortiums sind ambitioniert. Bereits in wenigen Wochen soll die produzierte Menge auf 4,2 Millionen pro Woche steigen. Im Winter könnten es dann 750.000 Masken am Tag sein.
Auch mit dem Berliner Senat führt Fight gerade Gespräche über eine Lieferung. Politik und Wirtschaft in aller Welt stellen sich auf einen Maskenbedarf ein, der weit über das laufende Krisenjahr hinausreicht. Die Lübecker Drägerwerk AG hat vom Gesundheitsministerium der USA einen Auftrag für FFP2- Masken mit einer Stückzahl „im höheren zweistelligen Millionenbereich“ erhalten.
Nur für diesen Auftrag baut Dräger an der Ostküste der USA eine neue Produktion auf, die im September in Betrieb gehen soll. Über ähnliche Anlagen in Europa sei man gerade in der Diskussion mit mehreren Ländern, heißt es in Lübeck.
Aktie gewinnt 40 Prozent
Das 1889 gegründete Medizintechnikunternehmen gehört zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Der Aktienkurs ist in den letzten Wochen um mehr als 40 Prozent gestiegen, weil unter anderem die Bundesregierung 10.000 Beatmungsgeräte bestellt hat. Die Auslieferung dieser Menge erstreckt sich über das ganze Jahr.
„Wir werden jedoch gleichzeitig immer noch mehr Geräte ins Ausland liefern als nach Deutschland“, sagte Dräger-Sprecherin Melanie Kamann auf Anfrage. Alles in allem werde die Produktion von Beatmungsgeräten verdoppelt, allein in Lübeck sollen 500 Arbeitskräfte eingestellt werden.
Derzeit beschäftigt Dräger 14.500 Personen, darunter 650 Servicetechniker, die in den Krankenhäusern unterwegs sind und die Beatmungsgeräte warten. „Unsere Services werden wir ausführen, solange es geht“, sagt Kamann.
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