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Linkspolitiker Ramelow braucht Unterstützung aus der CDU, wenn er Ministerpräsident werden will.
© imago images/Jacob Schröter
Update

Überraschende Wende in Thüringen: Ramelow will keine CDU-Stimmen

Die Wahl eines neuen Regierungschefs in Thüringen an diesem Mittwoch verspricht Spannung. Sichere Mehrheiten für einen der Kandidaten gibt es nicht.

Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will sich nicht mit Stimmen der CDU-Fraktion im ersten Wahlgang zum Regierungschef wählen lassen. „Heute ist kein Tag der Prinzipienreiterei. Ich werde die CDUler heute um konsequente Stimmenthaltung bitten“, sagte Ramelow am Mittwoch der dpa in Erfurt.

„Mit der Kandidatur von (Björn) Höcke und dem verantwortungslosen Verschwinden der FDP macht es keinen Sinn, im ersten Wahlgang CDU-Abgeordnete zu verbrennen. Das Chaos ist schon groß genug“, fügte Ramelow hinzu.

Er habe sich am Dienstag mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt über die Situation ausgetauscht und ihm mitgeteilt, dass er erforderlichenfalls in allen drei Wahlgängen antreten werde, so Ramelow.

Voigt twitterte am Mittwoch, dass er seiner Fraktion empfehlen werde, sich in allen drei Wahlgängen zu enthalten. „Es entspricht Bodo Ramelows und unserer staatspolitischen Verantwortung, diesen Weg zu gehen und keine unnötigen Barrieren aufzubauen“, schrieb Voigt. So könne Thüringen wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen, „ohne dass wir gegen unsere politischen Grundüberzeugungen verstoßen“.

Ein CDU-Bundesparteitagsbeschluss verbietet den Christdemokraten eigentlich jede Zusammenarbeit mit der Linken und mit der AfD. Dies schließt nach bisher gängiger Lesart das aktive Wählen eines Linken-Kandidaten zum Ministerpräsidenten mit ein.

Zunächst hatte Ramelow geplant, sich im ersten Wahlgang wählen zu lassen. Dafür bräuchte er - wie im zweiten Wahlgang - eine absolute Mehrheit - also 46 Stimmen. Ramelows angestrebte rot-rot-grüne Minderheitsregierung verfügt nur über 42 Sitze im Parlament.

Daher wären für die absolute Mehrheit Stimmen aus der CDU- oder der FDP-Fraktion nötig. Im dritten Wahlgang reicht es laut Thüringer Verfassung, die meisten Stimmen zu bekommen. Die FDP-Fraktion kündigte am Dienstag an, bei der Abstimmung den Plenarsaal verlassen zu wollen, weil man weder für Ramelow noch für Höcke stimmen wolle und Nein-Stimmen bei zwei Kandidaten nicht vorgesehen seien.

Höcke kann nur mit der Unterstützung seiner eigenen Fraktion rechnen, deren Chef er seit 2014 ist. Allerdings: Bei der Ministerpräsidentenwahl am 5. Februar hatten sowohl Ramelow als auch AfD-Kandidat Christoph Kindervater teils mehr Stimmen bekommen als aus ihren eigenen Lagern zu erwarten gewesen waren.

Die Abgeordneten im thüringischen Landtag wählen am Mittwoch um 14.00 Uhr erneut einen Ministerpräsidenten. Kurzzeitig stand der Wahltermin am Mittwoch wegen eines Corona-Verdachts bei einem CDU-Abgeordneten auf der Kippe. Der Verdacht bestätigte sich aber nicht, wie das Landesgesundheitsministerium am Dienstagabend mitteilte. Bei einem anders ausgefallenen Ergebnis wäre die Wahl wohl verschoben worden.

Vier Szenarien sind denkbar

1. Ramelow erreicht die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang. Die Union hat zwar angekündigt, Ramelow „als Fraktion“ nicht mitwählen zu können. Einzelne Abgeordnete verwiesen aber immer wieder darauf, dass die Wahl geheim sei und sie in ihrem Mandat frei seien. Bereits am 5. Februar hatte es mutmaßlich aus den Fraktionen von CDU und FDP zwei Stimmen für Ramelow und eine Enthaltung zu seinen Gunsten gegeben.

2. Ramelow verfehlt die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang. Ursprünglich wollte die Linke in diesem Fall die Wahl abbrechen und sofort einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen. AfD, CDU und FDP haben sich jedoch gegen Neuwahlen ausgesprochen. Und da Björn Höcke weiter im Rennen bleiben dürfte, würde wohl auch Ramelow in einen zweiten Wahlgang gehen. Kandidierte Höcke allein, würde er die absolute Mehrheit ziemlich sicher verfehlen, wäre aber in einem dritten Wahlgang als Alleinkandidat mit einfacher Mehrheit gewählt. Erreicht Ramelow im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit, ist er bis April 2021 als Übergangs-Regierungschef gewählt.

3. Ramelow verfehlt die absolute Mehrheit im zweiten Wahlgang. In diesem Fall geht es wie am 5. Februar abermals in einen dritten Wahlgang. In diesem gilt der Kandidat als gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereint. Zudem können spontan weitere Kandidaten ins Rennen einsteigen, so wie vor vier Wochen Thomas Kemmerich von der FDP.

4. Die AfD stimmt für Ramelow. Dieses Procedere hatte der Fraktionschef der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, seinen Thüringer Parteifreunden empfohlen, um es Ramelow unmöglich zu machen, die Wahl anzunehmen.

Höcke kann nur mit der Unterstützung seiner AfD-Fraktion rechnen, deren Chef er seit 2014 ist.
Höcke kann nur mit der Unterstützung seiner AfD-Fraktion rechnen, deren Chef er seit 2014 ist.
© dpa

Die Abstimmung soll eine Regierungskrise in dem Bundesland beenden.

Auslöser war am 5. Februar die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit Stimmen von AfD, CDU und FDP. Dies hatte bundesweit Empörung hervorgerufen - Vertreter anderer Parteien sprachen von einem Tabubruch, Kanzlerin Angela Merkel nannte die Wahl Kemmerichs mit Stimmen von CDU und AfD „unverzeihlich“.

Kemmerich trat drei Tage nach seiner Wahl zurück und ist seitdem geschäftsführend im Amt, hat aber keine weiteren Kabinettsmitglieder. Die Landtagswahl in Thüringen liegt inzwischen mehr als vier Monate zurück.

CDU-Vize Klöckner appelliert an Thüringer CDU

CDU-Vize Julia Klöckner sagte der „Rheinischen Post“ mit Blick auf die Höcke-Kandidatur, aus gutem Grund könnten CDU-Abgeordnete keinen AfD-Vertreter wählen. „Christdemokraten arbeiten nicht mit Politikern zusammen, die rassistisch und nationalistisch sind.“

Das heiße aber nicht automatisch, dass die CDU Ramelow unterstützen könne. „Er steht mit seiner Linken für eine DDR-Verklärung, für den Austritt aus der Nato oder für ein anderes Gesellschaftssystem. Das ist nicht mit unserem Programm der breiten gesellschaftlichen Mitte vereinbar.“

Einen Plan, wie es im Falle eines Ramelow-Erfolgs weiter gehen könnte, gibt es aber schon. Linke, SPD und Grüne hatten sich mit der CDU darauf verständigt, dass die Christdemokraten einer rot-rot-grünen Übergangsregierung bei bestimmten Projekten zu Mehrheiten verhilft - wenn man sich auf Kompromisse einigt.

Außerdem will man die AfD beim Ringen um Mehrheiten komplett außen vor lassen. Das alles soll nur für einen begrenzten Zeitraum gelten. Eine Neuwahl des Parlaments soll es demnach am 25. April 2021 geben. (dpa)

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