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Ralf Wohlleben wollte sich lange nicht äußern.
© dpa

254. Tag im NSU-Prozess: Ralf Wohlleben will mit der Mordwaffe nichts zu tun gehabt haben

Zweieinhalb Jahre hatte der Angeklagte Ralf Wohlleben im NSU-Prozess geschwiegen. Jetzt redet er, bestreitet aber weiterhin die zentralen Vorwürfe der Anklage.

Er sitzt da stocksteif, die Arme liegen verschränkt auf dem Tisch. Der Kopf bewegt sich nicht, wie eingerastet ist der Blick auf den Vorsitzenden Richter fixiert. Der Angeklagte Ralf Wohlleben bemüht sich um größtmögliche Konzentration. Er weiß, dass diese Vernehmung entscheidend sein dürfte. Dem 40-jährigen Rechtsextremisten droht eine harte Haftstrafe, er darf sich jetzt keinen Fehler erlauben. Sonst ist die womöglich letzte Chance vertan, doch noch in diesem Jahrzehnt aus dem Gefängnis herauszukommen. Seit November 2011 sitzt Wohlleben bereits in Untersuchungshaft, für den Vorwurf der Behilfe zum Mord in neun Fällen könnte noch eine lange Zeit hinter Gittern fällig sein.

Der 254. Tag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München ist für Wohlleben einer der anstrengendsten. Mehr als zweieinhalb Jahre hatte er geschwiegen, im Dezember dann verlas er eine Woche nach der Einlassung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe eine lange Aussage. Und er zeigte sich bereit,  im neuen Jahr Fragen zu beantworten. Die hat Götzl reichlich. Der Richter bohrt sich am Mittwoch in Wohllebens Angaben hinein, Detail auf Detail wird hinterfragt. Und so könnte es noch ein paar Tage gehen, zumal auch Verteidiger von Mitangeklagten und die Bundesanwaltschaft und die vielen Nebenklage-Anwälte Wohlleben löchern wollen. Am Mittwoch zumindest gelingt es dem Angeklagten, Haltung zu bewahren. Wohlleben bleibt eisern bei der Geschichte, die er am 16. Dezember vorgetragen hat. Ob sie nun stimmt oder nicht.

An der Beschaffung der Pistole Ceska 83 für die Terrorzelle NSU will der Ex-Vizechef der Thüringer NPD keinesfalls mitgewirkt haben. Mit der Waffe hatten die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Der mitangeklagte Carsten S. hat gleich zu Beginn des Prozesses Wohlleben schwer belastet. Er soll Anfang 2000 den Kauf der Waffe eingefädelt haben, die Carsten S. dann in Chemnitz zu den sich dort versteckt haltenden Mundlos und Böhnhardt übergab. Und der Angeklagte Holger G. sagte am 7. Verhandlungstag, er habe im Jahr 2000 oder 2001 von Wohlleben eine Waffe bekommen und nach Zwickau zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gebracht.

Anfang 1999 habe ihn Böhnhardt bei einem Treffen in Chemnitz gebeten, eine scharfe Waffe zu besorgen, sagt Wohlleben. Es habe ein deutsches Fabrikat sein sollen. Dass Böhnhardt Ausländer töten wollte, will Wohlleben nicht geahnt haben. Angeblich hat Böhnhardt ihm bei dem Treffen gesagt, „dass er sich nicht der Polizei stellen würde, dass er sich lieber erschießen will“. Wohlleben will dann Böhnhardt lange hingehalten haben. „Für mich war klar, dass ich mich nicht an der Beschaffung einer scharfen Waffe beteiligen möchte“, sagt Wohlleben. Mit betont fester Stimme.

Wie war das mit der Pistole?

Götzl will wissen, „wie ging die ganze Sache weiter?“ Welchen Zusammenhang gebe es mit Carsten S.? Da präsentiert Wohlleben sein Kernargument. Böhnhardt und womöglich auch Mundlos sollen an mehrere Personen den Auftrag zur Beschaffung einer Waffe erteilt haben. Irgendwann sei Carsten S. zu ihm gekommen und habe gesagt, „dass er auch den Auftrag hat, eine Waffe zu besorgen“, sagt Wohlleben. Ähnlich spricht er dann auch über die Pistole, die Holger G. nach Zwickau gebracht hat. So will Wohlleben die ihn belastenden Aussagen von Carsten S. und Holger G. auf die beiden zurückschieben. Sie sollen sich unabhängig von ihm um Pistolen bemüht haben. Wohlleben gibt zwar zu, dass er davon erfuhr, aber er will nur eine Randfigur gewesen sein. Obwohl er auffallend viel über seine Kontakte zu den drei Untergetauchten berichtet.

Aus Wohllebens Antworten erschließt sich auch nicht, warum Carsten S. sogar zu ihm nach Hause kam, um die Waffe zu zeigen. Da Wohlleben sich überwacht fühlte, will er in seiner Wohnung mit Carsten S. einen „toten Winkel“ aufgesucht haben, um sich die Pistole anzuschauen. „Wer die Waffe ausgepackt hat, weiß ich nicht“, sagt Wohlleben. Aber er erinnert sich daran, „dass ich überrascht war, dass der Schalldämpfer dabei war“. Und „aus der Überraschung heraus“ will er das Ding auf die Waffe geschraubt haben, „um zu sehen, wie das aussieht“.

Carsten S. hat den Ablauf des Treffens etwas anders geschildert. Wohlleben habe Lederhandschuhe angezogen, den Schalldämpfer aufgeschraubt und die Waffe lachend auf ihn gerichtet, sagte S. Wohlleben hingegen gibt an, „ich habe mir die Waffe nicht näher angeguckt, ich hätte damit eh nichts anfangen können“. Richter Götzl lässt nicht ansatzweise erkennen, was er von Wohllebens Antworten hält. Was glaubwürdig klingt und was nicht. Als Wohlleben noch schwieg, war die Haltung des Strafsenats unschwer zu durchschauen. Anträge Wohllebens auf Entlassung aus der Untersuchungshaft wurden mit Hinweis auf den weiterhin dringenden Tatverdacht rigoros abgelehnt.

Absolut glaubwürdig wirkt Wohlleben am Mittwoch beim Thema Gesinnung.  Wie schon in der Aussage im Dezember gibt der Angeklagte auch jetzt wieder zu erkennen, dass er weiterhin stramm rechts eingestellt ist. Auf eine Frage Götzls zu seiner Einstellung zur NS-Zeit sagt Wohlleben, er sei der Meinung, „dass die Aufarbeitung relativ einseitig verläuft“. Es werde immer nur geguckt, „welche Schuld der Deutsche trägt“. Nach der angeblichen Schuld von Amerikanern, Polen und anderen Nationen wird nach Ansicht Wohllebens zu wenig gefragt. Als Beispiel nennt er die Debatte um die Bombardierung Dresdens im Februar 1945. Da würden die Opferzahlen runtergelogen „von einer sechsstelligen Zahl auf eine fünfstellige“. In der rechten Szene sind die vermeintliche Kriegsschuldlüge und die angebliche weit untertriebenen offiziellen Zahlen der Dresdener Bombenopfer zentrale Themen.

Offen bleibt, ob Wohlleben dem Stress gewachsen bleibt, den schwer auf ihm lastenden Tatverdacht doch noch mit  vorgetragenen Antworten entkräften zu wollen. Am frühen Nachmittag bittet einer der drei Verteidiger, die Verhandlung zu unterbrechen. Wohlleben habe Kopf- und Rückenschmerzen. Götzl verzichtet auf eine Diskussion mit den Anwälten und beendet die Sitzung. Diesen Donnerstag soll der Fragemarathon weitergehen.

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