Studie aus Berlin und Mannheim: Querdenken-Demos für bis zu 21.000 Infektionen verantwortlich
Die Querdenken-Demos in Leipzig und Berlin im November waren Superspreader-Events für ganz Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher in einer Studie.
Die Menschen schieben sich an diesem Novembertag dicht gedrängt durch die Leipziger Innenstadt – meist ohne Abstand und Maske. Viele der sogenannten „Querdenker“ machen es sich auf Picknickdecken und Klappstühlen mitten auf den Straßen gemütlich, der zentrale Augustusplatz reicht für die Menge nicht aus. Die Polizei ist überfordert, beendet die Demo mit 20.000 bis 40.00 Menschen, doch noch Stunden später ziehen tausende Demonstranten unbehelligt durch die Stadt.
Ein ähnliches Bild zeigt sich wenige Tage später in Berlin. Gegner der Corona-Maßnahmen wollen am 18. November im Regierungsviertel das neue Infektionsschutzgesetz verhindern. Steine, Flaschen und Böller fliegen - 77 Polizeibeamte werden verletzt. Wasserwerfer fahren vor dem Brandenburger Tor vor.
Auch hier hält sich die Mischung aus „Querdenkern“ und anderen Verschwörungsideologen, sowie Esoterikern, Rechtsextremen, Reichsbürgern und allgemeinen Kritikern der Corona-Politik nicht an die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nase-Schutz oder Abstand zu halten. Die Polizei löst die Versammlung von 5000 bis 9000 Leuten nach drei Stunden und zig Ermahnungen auf, die Räumung dauert bis in den Abend.
Inzwischen ist klar: Diese beiden „Querdenker“-Demos waren Corona-Superspreader-Events. Wären die Kundgebungen abgesagt worden, hätten bis Weihnachten zwischen 16.000 und 21.000 Covid-19-Infektionen verhindert werden können.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim und der Humboldt-Universität zu Berlin. Dafür haben die Wissenschaftler untersucht, wie sich die Sieben-Tage-Inzidenzen in Landkreisen mit einem hohen Teil von Corona-Verharmlosern oder Leugnern entwickelt haben.
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Drei Faktoren wurden dabei übereinander gelegt: Der Anteil von AfD-Wählern in einem Gebiet, da die Partei die Gefahren des Virus konsequent leugnet. Diese wurden mit der Masern-Impfqouten auf Kreisebene verglichen und mit den Bushaltestellen des "Honk for Hope"-Netzwerks.
Viele Querdenker nutzen die Busse des Netzwerks des bekennenden Corona-Kritikers Thomas Kaden, um zu Demonstrationen in ganz Deutschland zu kommen. Dieses Bus-Netz unterscheidet sich ganz wesentlich von den Linien vergleichbarer Bus-Unternehmer. "Honk for Hope" hält zwar in ganz Deutschland, doch es werden auch viele kleinere Städte angefahren. Ein Schwerpunkt liegt dabei im Süden Sachsens, im Norden Bayerns und im Osten Thüringens.
Die Autoren der Studie kommen mit diesen Faktoren zu dem Ergebnis, dass die Sieben-Tages-Inzidenz nach den beiden Demonstrationen in Leipzig und Berlin deutlich stärker in Landkreisen gestiegen ist, in denen Städte liegen, die von der „Honk for Hope“-Netzwerk angefahren werden.
Im Vergleich zu Landkreisen ohne Haltestellen lag sie dort bis Weihnachten im Schnitt um etwa 40 höher. Stieg beispielsweise in Stadt A ohne Haltestelle die Inzidenz von 60 auf 100, stieg sie im gleichen Zeitraum in Stadt B mit Haltestelle von 60 auf 140.
„Wir sehen in unseren Daten, dass zehn bis zwölf Tage nach den Demos die Inzidenz in den Bushaltestellen-Landkreisen stark ansteigen“, sagt Studienautor Martin Lange dem Tagesspiegel. „Weil in Leipzig noch einmal mehr Menschen als in Berlin waren, gehen wir davon aus, dass die Leipziger Demo auch den größeren Effekt auf die Infektionszahlen hatte.“
Einzelne Landkreise will Lange am Telefon aber nicht namentlich herausgreifen. Doch es sei klar erkennbar, dass vor allem in kleinen Städten mit einer solchen Bushaltestelle die Inzidenzen stärker ansteigen. „Wir interpretieren dies so, dass ein Ort, der recht klein ist, aber trotzdem so eine Bushaltestelle vorweist, einen besonders hohen Anteil an Querdenken-Demo-Fahrer:innen aufweisen muss und es daher auch plausibel ist, dass dort die Infektionszahlen nach den Demos stärker steigen“, erklärt Lange.
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