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Die Pferde trugen Masken - viele Menschen nicht. Bei der Corona-Demonstration am Samstag kam es zu Ausschreitungen und Regelverletzungen.
© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Eskalation der „Querdenker“-Demo in Leipzig: Die Politik muss endlich aufwachen

Erneut eskaliert eine Corona-Demonstration, erneut ist die Polizei überfordert. Es fehlt eine Strategie gegen die radikalisierte Bewegung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Geiler

Es war vorhersehbar. Schon Wochen vor der „Querdenken“-Großdemonstration in Leipzig warnten Beobachter vor einer hochexplosiven Lage. Selbst der sonst eher behäbige sächsische Verfassungsschutz schloss sich den geäußerten Sorgen an. Man erwarte eine „massive“ Anreise von Rechtsextremisten nach Leipzig.

Und so kam es dann auch. Polizeibeamte wurden mit Flaschen und Pyrotechnik beworfen, Berichterstatter von Hooligans verfolgt, und vor dem Hauptbahnhof wurden mehrere Pressevertreter regelrecht zusammengeschlagen. 

Das war eine neue Dimension der Medienfeindlichkeit. Die Polizei war zwar mit Hundertschaften aus acht Bundesländern vor Ort, aber sie wurde überrannt und kapitulierte irgendwann. 

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Auch die zur Auflage gemachten Infektionsschutzauflagen wurden von den vielen Demonstrationsteilnehmern missachtet, so dass sich nicht nur in Leipzig die Frage stellte, wie man der Bevölkerung vermitteln soll, dass sie ihr Sozialleben runterfahren soll, wenn dann auf den Straßen Leipzigs Tausende ungehindert maskenlos das „Ende der Pandemie“ ausrufen und feiern.

Die Bilder erinnern an Chemnitz 2018

Ähnlich wie zuvor bei der aus dem Ruder gelaufenen Demonstration in Berlin hat auch die Leipziger Polizeiführung auf eine „deeskalative“ Einsatztaktik gesetzt. Das Ergebnis sind Bilder, die an die rechtsextremen Ausschreitungen von Chemnitz im August 2018 erinnern. 

Seinen Anteil dazu beigetragen hat auch das Bautzener Oberverwaltungsgericht, welches noch am Samstagmorgen den Protest in der Leipziger Innenstadt genehmigte. Die Stadt hatte zuvor den Veranstaltungsort der Demonstration auf das weitläufige Messegelände verlegt. Was für eine Fehlentscheidung der Judikative.

Wundern darüber muss man sich jedoch nicht, ist doch einer der verantwortlichen Richter gleichzeitig Redakteur eines Amtsblatts, in dem Covid-19 mit einer „normalen Grippe“ gleichgesetzt wird. Teilweise ähnlich irritierend war am Samstag die Rolle der Polizei, die mehrfach dabei versagte, Journalisten vor gewaltsuchenden Demonstranten zu schützen, dafür aber Pressevertreter in ihrer Berichterstattung einschränkte.

Der Staat macht sich unglaubwürdig

Viel entscheidender aber ist jetzt, dass die Politik aufwacht. Sie muss endlich eine Antwort auf die Frage finden, wie mit den Demonstrationen der sich radikalisierenden Corona-Bewegung angemessen umzugehen ist.

Die Strategie der „Deeskalation“ hat ausgedient. Es geht hier auch um das Auftreten des Staates gegen den Rechtsextremismus.

Dass die Akzeptanz eines Großteils der Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen der Exekutive mit jeder weiteren „Querdenken“- Demo weiter schwinden wird, ist zu erwarten. Der Staat macht sich so selbst unglaubwürdig.

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