Fehlende Transparenz über Pflegeheime: Qualitätsberichte unter Verschluss
In zehn Bundesländern bleiben Prüfergebnisse über die Qualität von Pflegeheimen unter Verschluss. Die neue Pflegevollmächtigte nennt das "untragbar".
Trotz reformiertem Pflege-TÜV und aller politischen Versprechungen ist es auf Landesebene mit der Transparenz in den Pflegeheimen nach wie vor nicht weit her. Bisher sind wichtige Informationen zur Qualität von Pflegeeinrichtungen für Pflegebedürftige und Angehörige nur in sechs von 16 Bundesländern einsehbar. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Projekts „Weisse Liste“ der Bertelsmann Stiftung. Besonders gravierend sei, „dass einige Länder die Daten zur Pflegequalität bisher nicht veröffentlichen, obwohl die jeweiligen Landesgesetze dies vorschreiben“, heißt es darin.
Lediglich Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen veröffentlichten die Ergebnisse so, dass sie allgemein verfügbar sind, fanden die Autoren der Bestandsaufnahme heraus. In Baden-Württemberg und Hessen müssten die Prüfergebnisse zumindest durch die Pflegeheime veröffentlicht werden – allerdings seien die Daten dort dadurch momentan „nur in den Einrichtungen direkt einsehbar und damit für Verbraucher:innen eingeschränkt zugänglich“. Und in den restlichen zehn Bundesländern erführen Betroffene und Interessierte überhaupt nicht, ob in bestimmten Heimen beispielsweise Personal fehlt oder ob dort schwerwiegende Mängel beanstandet wurden.
Genauso wenig komme Interessierten zu Ohren, welche Häuser besonders gut aufgestellt seien, heißt es in der Bertelsmann-Analyse. Dabei lägen solche Informationen allen Bundesländern vor, weil sie Teil der Prüfergebnisse der für die Heimaufsicht zuständigen Behörden seien. „Der Mangel an Transparenz entsteht entweder dadurch, dass eine entsprechende landesrechtliche Regelung gar nicht existiert, oder dass vorhandene Gesetze nicht in die Praxis umgesetzt werden.“
Gesetze finden teilweise keine Anwendung
Die neue Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, zeigte sich alarmiert über die Ergebnisse der Analyse: „Dass nur in wenigen Bundesländern wichtige Informationen zur Qualität von Pflegeeinrichtungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen einsehbar sind, ist ein untragbarer Zustand", sagte die SPD-Politikerin. Sie fordere die Säumigen dringend auf, „nachzubessern und umfassend für Transparenz zu sorgen“. Einige Länder zeigten ja, dass das möglich sei.
Der Studie zufolge ist in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen eine Veröffentlichung der Prüfergebnisse gesetzlich schlicht nicht vorgesehen. In Bayern, Brandenburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein wiederum gebe es zwar Gesetze, die eine Veröffentlichung erlaubten – doch aus unterschiedlichen Gründen fänden sie bisher keine Anwendung. Teilweise erklärten Gerichte dort die Regelungen rundheraus für rechtswidrig, teilweise mache man datenschutzrechtliche Vorbehalte geltend. Und in den Ländern, in denen wenigstens über die Einrichtungen nähere Infos zu bekommen sind, gibt es dafür auch noch mal interessante Beschränkungen: So seien etwa in Hessen Prüfberichte beispielsweise nur „bei Abschluss des Vertrages“ einsehbar.
Durch solche Restriktionen seien Pflegebedürftige und ihre Angehörigen gezwungen, „bei allen auch nur entfernt infrage kommenden Einrichtungen persönlich vorzusprechen“, moniert die Bertelsmann-Analyse. „Dabei scheuen möglicherweise viele die vermeintlich kritische Frage nach den Prüfergebnissen, um ihre Chance auf einen Heimplatz nicht zu riskieren.“ Und selbst wenn Berichte im Internet veröffentlicht würden, seien sie oft schwer zu finden. „Unsere Stichproben zeigen, dass sie in Suchmaschinen oft nicht erscheinen. Werden Prüfberichte auf kommunalen Internetseiten veröffentlicht, sind sie dort für Laien häufig unauffindbar. Wer weiträumig sucht, muss mehrere Websites durchforsten.“
Hamburg als Vorbild
Dabei zeigt Hamburg als Positivbeispiel, wie es laufen könnte. Die Hansestadt informiert via Internet nicht nur über die Ergebnisse vorgeschriebener Prüfungen. Sie stellt auch weitere detaillierte Angaben bereit, etwa zum Personaleinsatz in den Heimen oder zu vorübergehenden Aufnahmestopps. Außerdem veröffentlicht das Land jährlich Ergebnisse einer Angehörigenbefragung. Durch die Corona-Pandemie seien allerdings in sämtlichen Bundesländern die Vor-Ort-Einsätze der Aufsichtsbehörden monatelang unterbrochen gewesen, betont die Stiftung. Dadurch seien überall Datenlücken entstanden.
Die Auswahl eines Pflegeheims sei „eine Lebensentscheidung“, betonte Brigitte Mohn, Vorständin der Bertelsmann Stiftung. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen seien auf verlässliche Angaben angewiesen, um sich ein umfassendes Bild von der Qualität der Einrichtungen machen zu können. Die Bundesländer müssten „viel stärker als bisher diesem Informationsbedarf nachkommen“. Mit der Veröffentlichung vorliegender Daten erfüllten Pflegeheime und die für sie zuständigen Behörden schließlich ihre Rechenschaftspflicht gegenüber den Pflegebedürftigen und Versicherten, von denen die Pflege finanziert werde. Gleichzeitig könne auf diese Weise auch die gute Arbeit vieler Pflegefachkräfte öffentlich sichtbar gemacht werden und „höhere Wertschätzung erfahren“.
Auch Perspektive der Pflegebedürftigen berücksichtigen
Um die Situation zu verbessern, empfehlen die Betreiber der Weissen Liste, die Veröffentlichung aller für die Pflegequalität relevanten Daten, die den Aufsichtsbehörden vorliegen, zentral im Internet. „Die Länder müssen dafür jeweils geeignete und hinreichend konkrete gesetzliche Vorgaben schaffen – und diese dann auch in die Tat umsetzen“, fordert Projektmanager Johannes Strotbek. Und ergänzend sollte „eine Open-Data-Regelung eingeführt werden, wie es sie etwa bereits in Bezug auf die Qualität von Krankenhäusern sowie zu den Daten des Pflege-TÜV auf Bundesebene gibt“, so der Experte. Schließlich ließen sich die Daten zur Pflegequalität besser verbreiten und nutzen, wenn Verbraucher, Informationsportale, Beratungsstellen und Versorgungsforschung frei darauf zugreifen könnten.
Um für mehr Transparenz zu sorgen, kommt es der Weissen Liste zufolge aber auch darauf an, nicht nur die Verbände von Heimbetreibern und Pflegefachkräften einzubinden, sondern auch die Perspektive der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen stärker zu berücksichtigen. Es gebe hier bereits gute Beispiele, wie sich eine Veröffentlichung zum Nutzen der Pflegebedürftigen so gestalten lasse, dass die Arbeit der Einrichtungen und ihrer Beschäftigten fair bewertet werde. „Bundesländer und Interessenverbände sollten sich einen Ruck geben, um deutschlandweit für mehr Qualitätstransparenz zu sorgen – im Sinne einer guten, fachgerechten und sicheren Pflege für alle“, so Brigitte Mohn.