Verwirrung um Bezahlung der Gas-Lieferungen: Putins Pokerspiel mit dem Westen
Muss die EU russisches Gas in Rubel bezahlen oder werden weiterhin Euros akzeptiert? Putin stiftet Verwirrung – das scheint Teil seines Plans zu sein.
Robert Habeck traut den Äußerungen aus dem Kreml nicht. „Die Situation ist schwer zu lesen und nicht ganz eindeutig“, sagt der Wirtschaftsminister von den Grünen am Mittwochabend im ZDF. Am Morgen hat er den Notfallplan Gas aktiviert, weil er damit rechnet, dass ein Lieferstopp aus Russland unmittelbar bevorsteht.
Doch aus Moskau kommen später scheinbar Entspannungssignale: Die EU müsse russisches Gas nicht sofort in Rubel bezahlen, heißt es von Kremlsprecher Dmitri Peskow. Auch in einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll Russlands Präsident Wladimir Putin betont haben, dass Deutschland Gas weiter in Euro und Dollar bezahlen könne.
Am Donnerstag unterzeichnet Putin dann aber doch ein Gesetz, wonach russische Lieferungen bereits ab diesem Freitag in Rubel bezahlt werden müssen. Zwar hatte er im Gespräch mit Scholz offenbar auch das angekündigt – dennoch sorgt die Meldung am Donnerstag erneut für Verwirrung in Berlin. Bis zum frühen Abend geht man in der Hauptstadt von Ausnahmen für die EU und Deutschland aus. „Man muss da wohl ein bisschen auf das Kleingedruckte achten“, sagte Habeck schon am Mittwoch: „Wir wissen nicht genau, was das bedeutet.“
Es ist ein Pokerspiel, das Putin in diesen Tagen mit seinen Energie-Kunden im Westen spielt. Dahinter steckt wohl auch eine Portion Wirtschaftspsychologie. Allein die Ankündigung, Gas-Lieferungen nur noch in Rubel bezahlen zu lassen, hat den Kurs der russischen Währung stabilisiert: Der Rubel war am Donnerstag mehr wert als zu Kriegsbeginn. Für Putin, der durch die Sanktionierung gegen die Zentralbank praktisch von internationalen Geldflüssen abgeschnitten ist, ist das ein wichtiger Faktor. Nur solange der Rubel stabil bleibt, kann er den Krieg in der Ukraine finanzieren.
Mit seiner Rubel-Forderung hat es Putin geschafft, Unsicherheit in der gesamten EU zu stiften. „Wir werden die Einzelheiten jetzt nicht enthüllen“, sagt Kremlsprecher Peskow auch am Donnerstag. Doch offenbar wünscht sich die russische Seite ein Bezahlsystem, nach dem die EU-Kunden das Geld in Euro an die Gazprombank zahlen.
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Die Bank wurde 1990 vom russischen Energiekonzern Gazprom als Tochtergesellschaft gegründet. Inzwischen sind die größten Anteilseigner der Rentenfonds „Gazfond“ mit 49 Prozent und Gazprom mit 35 Prozent. Die Bank befindet sich damit also indirekt im Besitz des russischen Staates. Von den Sanktionen hat die EU sie auch auf deutsche Initiative ausgenommen.
Geht es nach Putin, zahlen die EU-Staaten ihre Euro an die Gazprombank, die diese dann selbst in Rubel tauscht. Dadurch würde die Währung wohl erheblich stabilisiert. Diesen Plan hat Putin dem Bundeskanzler am Mittwochabend mitgeteilt. Scholz habe dem von Putin vorgeschlagenen Zahlungsverfahren aber nicht zugestimmt, sondern um schriftliche Informationen dazu gebeten, sagte sein Sprecher Steffen Hebestreit später. Zumindest kurzfristig könnte sich die Bundesregierung damit aber wohl arrangieren. Immerhin wird damit der Beschluss der G7-Staaten, die Gas-Lieferungen weiter in Euro und Dollar zu bezahlen, formal umgesetzt.
Am Donnerstagabend versuchte Scholz via Twitter die Stimmung zu beruhigen: Die Zahlung russischer Gaslieferungen würden in Euro und Dollar stattfinden, twitterte der Kanzler: "Das ist so, das wird auch so bleiben, und das habe ich gestern in meinem Gespräch mit Präsident Putin auch deutlich gemacht."
Gleichzeitig wird jedoch immer offensichtlicher, dass der Westen nicht nur Putins Krieg in der Ukraine mit seinen Zahlungen für die Energie-Lieferungen unterstützt, sondern ihn auch innenpolitisch stabilisiert. Nicht nur aus der Ukraine und Teilen der Zivilgesellschaft gibt es Kritik dafür an der Bundesregierung.
Polen macht Druck auf Deutschland
Polens Regierung hat angekündigt, man werde bis zum Ende des Jahres unabhängig von russischem Öl, Kohle und Gas sein. Regierungschef Mateusz Morawiecki betonte, man werde den radikalsten Plan in Europa für den Ausstieg vorlegen – ein Fingerzeig auch an Berlin. „Wir tun ja nicht nichts“, verteidigt sich Habeck und verweist darauf, dass man Importe aus Russland schon reduziert hat.
Aber auch viele Ökonomen glauben, dass Deutschland mehr Druck machen kann. Der Rubelkurs sei zwar gestiegen, aber hinter dieser Stärke stünden drastische Notfallmaßnahmen und ein versiegender Warenstrom aus Europa, erklärte der Moskauer Ökonom Dmitri Polewoi in der „Zeit“. Die logistischen Probleme, der Rückzug westlicher Firmen und Sanktionen hätten den Import nach Russland im März stark zurückgehen lassen. Auch das lasse die Nachfrage nach ausländischer Währung stark sinken.
„Putins Verhalten zeigt, dass er wirtschaftlich angeschlagen ist“, sagt auch Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftswissenschaften in Berlin. Dort hat er mit anderen Ökonomen eine Studie veröffentlicht, die sich mit den Konsequenzen eines Gas-Lieferstopps beschäftigt. Die Kernbotschaft: Es wird schlimm, aber keine Katastrophe.
Ökonom: Putin trifft ein Lieferstopp schlimmer
Kriwoluzky hält die Effekte eines möglichen Gas-Embargos für Putin für deutlich dramatischer. „Wir hätten eine schwere Rezession – aber Russland würde an den Rand eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs kommen“, sagt der Ökonom. Tatsächlich erwirtschaftet Russland knapp 30 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes durch den Verkauf von Öl, Kohle und Gas. Selbst wenn Drittländer wie China einspringen, kann wohl nur ein Teil des Gases weiterverkauft werden.
Kriwoluzky hält einen Lieferstopp von Seiten Russlands dennoch für wahrscheinlich – allerdings erst im Herbst oder Winter, wenn er Deutschland richtig treffen würde. Man solle sich daher schon jetzt darauf vorbereiten, fordern er und sein Team. „Die Gasspeicher müssen gefüllt werden. Wenn beispielsweise Gazprom seine Speicher in Deutschland nicht auffüllt, müsste über Maßnahmen nachgedacht werden, wie russische Betreiber dazu gezwungen werden können“, sagt Kriwoluzky. Zudem müsse die Industrie jetzt schon Alternativen entwickeln für den Fall von Abschaltungen. Die Düngemittelindustrie solle sich beispielsweise nach neuen Lieferketten umschauen, Grundstoffe der chemischen Industrie könnten auch in den USA produziert werden.
„Die Politik sollte zudem die Lenkungswirkung der hohen Energiepreise sich entfalten lassen“, sagt Kriwoluzky. Benzinpreise künstlich zu verbilligen, setze keine Anreize zum Sparen und zu effizienter Energienutzung. In diesem Bereich sieht der Ökonom noch deutlichen Steigerungsbedarf in der Wirtschaft.