Ukraine-Konflikt: Putin lässt Merkel warten
Der russische Präsident taucht erst mit vier Stunden Verspätung in Mailand auf. Nach den Gesprächen konnte die Bundeskanzlerin keinen Durchbruch erkennen. Nur im Gasstreit mit Kiew gab es eine Annäherung.
Es war ein Tag der Diplomatie, doch die erhoffte diplomatische Lösung brachte er zunächst nicht: In mehreren Gesprächsrunden versuchten Vertreter der Europäischen Union am Rande eines Gipfels in Mailand, im Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Zu Gast beim Asem-Gipfel waren auch der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko. Zunächst konnte Kanzlerin Angela Merkel nur feststellen, sie könne „keinen Durchbruch“ erkennen.
Es habe „Annäherungen in Detailfragen“ gegeben, sagte Merkel. Der zentrale Punkt sei, dass die territoriale Integrität der Ukraine gewahrt werde. Der Gastgeber des Treffens, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, sprach von großen Meinungsunterschieden. Der Gipfel in Mailand war das erste direkte Treffen von EU-Vertretern mit Putin seit den Gedenkfeiern zur Landung der Alliierten in der Normandie im Juni.
"Ernsthafte Differenzen"
Bereits am Donnerstagabend waren Putin und Merkel zu einem bilateralen Treffen zusammengekommen. Allerdings konnte das für 19 Uhr geplante Gespräch erst nach 23 Uhr beginnen. Putin hatte sich verspätet, weil er zuvor in Serbien noch eine Militärparade angesehen hatte. So konnte das Treffen mit der Kanzlerin erst nach dem Abendessen der Staats- und Regierungschefs beginnen. Obwohl das Gespräch rund zweieinhalb Stunden dauerte, gingen Deutsche und Russen am Ende ohne greifbares Ergebnis auseinander. Der Kreml versuchte später gar nicht erst, dies hinter diplomatischen Worten zu verstecken. Es habe „ernsthafte Differenzen“ hinsichtlich der Entstehung des „innerukrainischen Konflikts“ gegeben, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow noch in der Nacht.
Zum Frühstück am Freitagmorgen traf sich Merkel erneut mit Putin, außerdem saßen Poroschenko, Frankreichs Präsident François Hollande, der britische Premier David Cameron, Gastgeber Renzi und EU-Vertreter mit am Tisch. Als auch diese Runde kein greifbares Ergebnis brachte, trafen sich in einem dritten Anlauf Putin, Poroschenko, Merkel und Hollande.
Streitpunkt Gas
In dieser Runde ging es vor allem um den Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland. Zumindest bei diesem Thema gab es ein wenig Bewegung: Moskau und Kiew verständigten sich nach Angaben des ukrainischen Präsidenten auf Grundzüge einer Lösung des Gaskonflikts. „Wir haben uns auf die wichtigsten Eckpunkte eines Vertrags geeinigt“, sagte Poroschenko. Auch Putin lobte am Ende die „guten“ Gespräche in Mailand. Beide Seiten hätten sich auf die Bedingungen für Lieferungen “zumindest im Winter“ verständigt Die Bundesregierung bestätigte am Abend, es habe eine „Annäherung in der Frage der Gaslieferungen“ gegeben. Damit könnte es beim Treffen der Energieminister der Ukraine und Russlands mit EU-Kommissar Günther Oettinger am Dienstag zu einer Einigung kommen.
Die EU fordert von Russland, den im September in Minsk vereinbarten Friedensplan für die Ostukraine auch umzusetzen. Dazu gehört, dass in der Region Wahlen nach ukrainischem Recht abgehalten werden können. Am Sonntag kommender Woche wird in der Ukraine ein neues Parlament gewählt. Die Separatisten wollen im November allerdings eigene Kommunalwahlen im Donbass organisieren. Die EU sieht dadurch die territoriale Integrität der Ukraine bedroht.
Verhandlungen über die Feuerpause
Die Waffenruhe im Osten des Landes wird praktisch täglich verletzt, seit ihrem Beginn wurden dort schon mehr als 300 Menschen getötet. Die EU dringt darauf, dass Russland die Grenze zum Nachbarland besser überwacht und die Separatisten nicht weiter Kämpfer und Waffen aus Russland erhalten. Deutschland und Frankreich hatten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) angeboten, die Pufferzone in der Ostukraine mit Drohnen zu überwachen. Auch das war Thema in den Gesprächen. Putin bestätigte später, dass sich Russland an einer Überwachung des Konfliktgebiets in der Ostukraine mit Drohnen beteiligen will.
Die EU hatte wegen Russlands Rolle im Ukraine-Konflikt Sanktionen verhängt. Putin kritisiert die Sanktionen als feindselig. Doch die von Moskau geforderte Aufhebung der Sanktionen ist bisher nicht in Sicht, da nach Auffassung der EU weder die Waffenruhe wirklich eingehalten noch die Grenze effektiv überwacht wird.
Gaskonzern reicht Klage ein
Gegen die Sanktionen reichte unterdessen Rosneft Klage beim EU-Gericht in Luxemburg ein. Das Gericht bestätigte am Freitag einen entsprechenden Bericht der „Financial Times“. Rosneft steht auf der Liste der Energieunternehmen, gegen die die Europäische Union Strafmaßnahmen verhängt hat. Den Firmen wurde der Zugang zum europäischen Kapitalmarkt weitgehend abgeschnitten. Auch der russische Oligarch Arkadi Rotenberg klagt dagegen, dass sein Vermögen in der EU eingefroren wurde. Der Milliardär ist ein langjähriger Freund und früherer Judo-Partner Putins. Durch die EU-Sanktionen wurden seine Villen in Italien beschlagnahmt.
Putin traf sich unterdessen in Italien mit einem alten Freund: Nach seinem Gespräch mit Merkel fuhr er um 1.30 Uhr noch in die Mailänder Villa des Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi.