Russland: Erstmals Ölkonzerne von EU-Sanktionen betroffen - auch Gazprom-Tochter
Russische Energie-Unternehmen und Banken werden durch EU-Sanktionen weitgehend vom europäischen Kapitalmarkt abgeschnitten. Russlands wichtigster Öl-Konzern Rosneft braucht massive Staatshilfen. Ein wichtiger Sektor bleibt aber verschont.
Mehrere Tage hat es gedauert, bis sich die Europäische Union darauf verständigt hat, neue Sanktionen gegen Russland in Kraft treten zu lassen. Die am Freitag vorgelegte Liste hat es in sich: Erstmals sind große russische Ölkonzerne von den EU-Sanktionen betroffen: Rosneft, Transneft sowie die Gazprom-Tochter Gazprom Neft. Ihr Zugang zum europäischen Kapitalmarkt wird durch die am Freitag in Kraft getretenen Sanktionen weitgehend abgeschnitten.
Sie können künftig keine Kredite mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen erhalten, ebenso dürfen Anleihen dieser Konzerne in der EU nicht mehr gehandelt werden. Gleiches gilt dem Beschluss der EU zufolge für drei große russische Rüstungskonzerne, den führende Panzerhersteller Uralvagonzavod. Dieselben Beschränkungen werden nun auch den bereits zuvor sanktionierten russischen Banken – darunter die Sberbank und VTB – auferlegt. Bisher galten die Beschränkungen für Anleihen von mehr als 90 Tagen.
Außerdem wird der Verkauf so genannter Dual-Use-Güter, die man sowohl für militärische als auch zivile Zwecke einsetzen kann, an neun weitere russische Rüstungsfirmen untersagt. Auf der Liste stehen der Konzern Kalaschnikow, der die gleichnamigen Gewehre produziert, sowie der staatseigene Konzern Almaz Antey. Dieser stellt unter anderem das Raketensystem Buk her. Mit einer Buk-Rakete soll das malaysische Passagierflugzeug MH17 über der Ostukraine abgeschossen worden sein.
Gassektor bleibt weiterhin verschont
Auch in dieser neuen Runde der Sanktionen bleibt der Gassektor verschont. Der vom russischen Staat kontrollierte Konzern Gazprom ist der wichtigste Energielieferant Europas. Russlands Luft- und Raumfahrtindustrie wird in dem neuen Sanktionsbeschluss ausdrücklich ausgenommen.
Der Ölkonzern Rosneft, der bereits auf der Sanktionsliste der USA steht, kommt durch den EU-Beschluss weiter in Bedrängnis. Daher soll der Konzern offenbar vom russischen Staat massive Finanzhilfen erhalten. Der Rosneft-Chef Igor Sechin hatte bereits im August versucht, sein Unternehmen gegen die Sanktionen zu wappnen, und den Staat um Unterstützung in Höhe von 1,5 Billionen Rubel (umgerechnet 31 Milliarden Euro) gebeten. Das Geld soll aus dem Nationalen Wohlstandsfonds Russlands kommen, der ursprünglich dazu vorgesehen war, das Pensionssystem abzusichern, heute aber zunehmend für Infrastrukturprojekte genutzt wird. Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew signalisierte bereits am Montag die Bereitschaft, Sechins Forderung nachzukommen: „Das Unternehmen muss das Produktionsniveau aufrecht erhalten, weil Rosneft ein Hauptzahler für den Staatshaushalt ist“, sagte Medwedew der Zeitung „Wedomosti“. Rosneft hatte sich wegen der Übernahme von TNK-BP im vergangenen Jahr stark verschuldet. Sechin gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Russlands Reaktion steht noch aus
Unklar ist noch, wie Russland auf die neuen Sanktionen reagieren würde. Moskau hat allerdings bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. Regierungschef Medwedew hatte sogar gedroht, den russischen Luftraum für europäische Airlines zu sperren. Ein Wirtschaftsberater des Kremls sagte, Russland könne den Import von Gebrauchtwagen und anderer Konsumgüter untersagen. Als Reaktion auf die zuvor von der EU verhängten Sanktionen hat Russland bereits die Einfuhr vieler europäischer Lebensmittel, darunter Obst und Gemüse, untersagt.
Die EU setzte am Freitag auch 24 Personen auf ihre Sanktionsliste. Die Betroffenen dürfen nun nicht mehr in die EU einreisen, ihre Konten werden gesperrt. Die meisten von ihnen sind Separatistenführer aus der Ostukraine. Aber auch der nationalistische russische Politiker Wladimir Schirinowski, mehrere russische Abgeordnete sowie der Chef der Staatsholding Rostec, Sergej Tschemesow, dürfen nicht mehr in die EU einreisen. Tschemesow gilt ebenfalls als Vertrauter Putins; wie der heutige Präsident soll er KGB-Offizier in Dresden gewesen sein.