NSU-Prozess: Psychische Probleme: Beate Zschäpe sagt erst Mittwoch aus
Wird sie zur Aufklärung der Mordserie des NSU und der Hintergründe beitragen? Oder wird sie nur versuchen, sich reinzuwaschen? Am Mittwoch will Beate Zschäpe ihr Schweigen brechen.
Dienstag oder Mittwoch? Wann Beate Zschäpe sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußern wird, beschäftigte zuletzt Beteiligte und Beobachter des NSU-Prozesses. Nun steht fest: Am Mittwoch soll Zschäpes vierter Pflichtverteidiger Mathias Grasel die „Einlassung“ Zschäpes vortragen. Der junge Münchner Anwalt hat angekündigt, die Mandantin werde sich zu allen Anklagepunkten äußern.
Die Verlegung der ursprünglich für diesen Dienstag geplanten Einlassung auf Mittwoch ist offenbar mit psychischen Problemen Zschäpes zu erklären. In Münchner Justizkreisen hieß es, es gehe Zschäpe schlecht bis hin zum Nervenzusammenbruch. Es sei nicht nur die bevorstehende Einlassung, die ihr zu schaffen mache, sondern auch rigide Maßnahmen in der Haftanstalt Stadelheim. In den vergangenen Wochen sei mehrmals ihre Zelle durchsucht worden, die nun in einem chaotischen Zustand sei. Dennoch bleibe es zunächst dabei, dass diesen Mittwoch Zschäpes Verteidiger Grasel die Aussage seiner Mandantin vorlesen soll.
Grasel selbst gab "Vorfälle" in der Justizvollzugsanstalt an, die er aber nicht näher benennen wollte. Es gehe seiner Mandantin nicht gut. Er sei aber dennoch mit ihr "übereingekommen, dass wir das jetzt hinter uns bringen wollen". Berichte über einen Nervenzusammenbruch wollte er nicht bestätigen.
Zschäpes ursprüngliche drei Pflichtverteidiger hatten eine Aussage stets als falsche Strategie abgelehnt. Grasel sagte dem Bayerischen Rundfunk nun, Schweigen sei "nicht mehr" richtig, sondern "dringend eine Erklärung geboten". Das entspriche auch "dem ursprünglichen Wunsch" seiner Mandantin seit ihrer Verhaftung vor vier Jahren, sagte der Verteidiger weiter. Zschäpe hatte nach ihrer Verhaftung gesagt, sie habe sich nicht gestellt, um zu schweigen.
"Warum erst jetzt?", fragen Hinterbliebene
Mit gemischten Gefühlen sehen Angehörige von Mordopfern des NSU der Aussage von Beate Zschäpe entgegen. „Warum macht sie das erst jetzt“, fragt Gamze Kubasik, deren Vater am 4. April 2006 von den Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in seinem Kiosk in Dortmund erschossen worden war. Die Tochter befürchtet, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess wolle nach zweieinhalb Jahren Verhandlung „nur ihre eigene Haut retten, ohne dass es endlich ehrliche Erklärungen für den Mord an meinem Vater und die vielen anderen Morde und Anschläge gibt“.
Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, bei allen Verbrechen der Terrorzelle – zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge, fünfzehn Raubüberfälle – die Mittäterin gewesen zu sein. Außerdem soll die heute 40-jährige Frau am 4. November 2011 in Zwickau die Wohnung angezündet haben, in der Zschäpe mit Böhnhardt und Mundlos unter falschen Namen gelebt hatte.
Strafrabatt gibt's allenfalls, wenn Zschäpe umfassend aussagt
Am selben Tag hatten sich die beiden Männer drei Stunden zuvor in Eisenach erschossen, als ihnen die Polizei nach einem Banküberfall auf die Spur kam. Zschäpe irrte dann vier Tage mit der Bahn durch die Bundesrepublik. Am 8. November 2011 stellte sie sich in Jena der Polizei. Seitdem schweigt sie eisern. Ihre ersten drei Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm unterstützten diese Strategie.
Warum Zschäpe nun reden will, zumindest mittelbar über ihren erst im Juli in den Prozess eingestiegenen Anwalt Grasel, bleibt offen. Ebenso, welchen Tenor die Einlassung haben wird. Sollte Zschäpe alles zugeben, was ihr die Ankläger vorhalten, droht die Höchststrafe: lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld. Das würde mindestens 20 Jahre Gefängnis bedeuten.
Eine Art Strafrabatt kann Zschäpe allenfalls erwarten, wenn sie kronzeugenartig alles berichtet, was sie in den fast 14 Jahren im Untergrund erlebt hat und auch Mittäter sowie Unterstützer nennt. Die Frau müsste dann wahrscheinlich auch Mitangeklagte belasten. Das ist jedoch zumindest im Fall des Ex-NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben wenig wahrscheinlich. Laut Anklage hat Wohlleben, der demnächst auch sein Schweigen beenden will, maßgeblich an der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 mitgewirkt. Mundlos und Böhnhardt setzten sie bei den Morden an neun Migranten ein.
Zschäpes Verteidiger Grasel hat offenbar einen guten Gesprächskontakt zu Wohllebens Anwälten. Es ist zu vermuten, dass Zschäpe ein Detail der Aussage des geständigen Mitangeklagten Carsten S. nutzt, um sich selbst und Wohlleben punktuell zu entlasten. Carsten S. hatte zu Prozessbeginn zugegeben, die Pistole Ceska im Frühjahr 2000 nach Chemnitz zu Mundlos und Böhnhardt gebracht zu haben. Dort hielten sich die zwei Männer mit Zschäpe versteckt, nachdem sie gemeinsam im Januar 1998 aus Jena verschwunden waren.
Carsten S. sagte im Juni 2013 im Gericht, Mundlos und Böhnhardt hätten ihm von einem Sprengstoffanschlag in Nürnberg erzählt, aber nicht gewollt, dass Zschäpe davon erfährt. Diese Aussage könnte die Angeklagte nun als Beleg präsentieren für die Behauptung, sie habe von den meisten Verbrechen ihrer beiden Freunde nichts mitbekommen. Und sie wisse auch nichts davon, dass Wohlleben etwas mit der Ceska zu tun gehabt haben soll. (mit dpa/AFP)