Russland kontra Nato: Provokation am Himmel
Angela Merkel ist "akut nicht besorgt". Der neue Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg aber kritisiert die russische Politik in der Ukraine und die Manöver russischer Militärflugzeuge über europäischen Meeren. Und das Tauziehen um die französische Kriegsschiff-Lieferung an Moskau geht weiter.
Angesichts von verstärkten russischen Aktivitäten im europäischen Luftraum hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Wachsamkeit des Bündnisses betont. „Die Nato ist stark, sie bleibt wachsam“, sagte Stoltenberg am Donnerstag bei einem Besuch in Athen. „Diese Stärke ist unsere Antwort.“ Am Mittwoch hatte die Allianz von „umfangreichen“ russischen Luftmanövern mit Langstreckenbombern, Kampfjets und Tankflugzeugen berichtet. Am Dienstag und Mittwoch seien vier Verbände mit insgesamt 26 russischen Kampfflugzeugen abgefangen worden. An den Abfangmanövern waren auch deutsche Eurofighter beteiligt. Stoltenberg kritisierte zudem scharf die russische Politik in der Ukraine. Die Aktionen Russlands seien „eine Provokation für die euroatlantische Sicherheit“, sagte er.
Dreimal so viele russische Bomber im europäischen Luftraum wie 2013
Die russischen Manöver hatten über der Ostsee, der Nordsee und dem Schwarzen Meer stattgefunden. Unter den Langstreckenbombern seien auch Maschinen vom Typ TU-95 gewesen, die bei Bedarf mit Nuklearwaffen bestückt werden können, hieß es bei der Nato. Es seien in diesem Jahr dreimal so viele russische Flugzeuge im europäischen Luftraum entdeckt worden wie im Jahr zuvor. Die Flugzeuge wurden während der gesamten Dauer ihrer Flüge von Kampfjets verschiedener Nato-Staaten begleitet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte gelassen. „Ich sehe in den letzten Monaten sowieso eine sehr starke Übungssituation der russischen Armee“, sagte sie in Berlin. Sie sei „akut nicht besorgt, dass hier größere Verletzungen des Luftraums stattfinden.“ Die Bundesregierung hat stets betont, dass sie wieder ein gutes Verhältnis zu Russland herstellen will, sobald dessen Regierung zur Deeskalation der Ukraine-Krise beiträgt.
Nach Ansicht des Sicherheitsexperten Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) haben die Flugbewegungen sowohl den Charakter einer Übung als auch eine politische Komponente. Es gehe Russland einerseits darum, „zu testen, wie die Nato-Luftverteidigung aufgestellt ist“, sagte Riecke dem Tagesspiegel. Russland wolle „mit diesem Säbelrasseln nach außen demonstrieren, dass es als Militärmacht ernst genommen werden muss“. Nach innen zeige Präsident Putin, dass Russland sich von einer angeblich aggressiven Nato nicht einschüchtern lasse. Grund zur Sorge bestehe nicht: „Ich sehe keinen Versuch Russlands, die Krisensituation mit dem Westen wegen des Ukraine-Konflikts militärisch zu eskalieren“, meinte Riecke. Eine gelassene Reaktion sei die richtige Antwort, denn sie verbaue nicht den Weg hin zu einer möglichen Verständigung mit Moskau, wenn die russische Regierung ein anderes Verhalten zeige.
Experte: Moskau will als Militärmacht ernst genommen werden
In der Frage des umstrittenen Baus zweier hochmoderner Kriegsschiffe vom Typ Mistral für Russland gerät Paris unter wachsenden Druck aus Moskau. Aus Rücksicht auf Bedenken in der Nato hatte Präsident François Hollande auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise im September die Auslieferung des ersten der beiden Schiffe „suspendiert“. Die Bedingungen dafür seien nicht gegeben, hieß es, verbunden mit der unausgesprochenen Hoffnung, dass sich bis Ende Oktober, dem vertraglich vorgesehenen Übergabetermin, die Dinge zum Besseren wenden würden. Doch nun wurde Paris von Moskau auf ungewöhnliche Weise an die Einhaltung seiner Verpflichtungen erinnert. Im Internet veröffentlichte der russische Vizepremierminister Dmitri Rogosin am Mittwoch eine Einladung der staatlichen französischen Werft DCNS an den russischen Vertragspartner Rosoboronexport zur feierlichen Übergabe des fertiggestellten Hubschrauberträgers „Wladiwostok“ am 14. November in Saint-Nazaire. Das zweite Mistral-Schiff „Sebastopol“ soll bis 2016 fertig sein.
Der Termin wurde von Paris sofort dementiert. „Die Bedingungen, das heißt die vollständige Anwendung des Friedensplans für die Ukraine, sind derzeit nicht erfüllt“, sagte Finanzminister Michel Sapin. Auch wurde in Abrede gestellt, dass der russischen Seite eine Einladung zugestellt worden sei. Bei dem Papier handele es sich um ein eigenmächtiges Vorgehen der DCNS, hieß es in Paris. Doch es ist kaum vorstellbar, dass der zuständige Minister übergangen wurde. Die Verlegenheit an der Seine könnte jedenfalls nicht größer sein. mit AFP/rtr