Internationale Pressestimmen zur Ukraine-Krise: Viele Meinungen, keine Lösungen für die Ukraine-Krise
Die internationale Presse sieht den Konflikt in der Ukraine je nach Standort verschieden. Ein Überblick über die Vielstimmigkeit bei der Bewertung der Krise in der Ukraine.
Macht muss man sich nehmen
Die liberal-konservative dänische Tageszeitung „Berlingske“ (Kopenhagen) meint am Freitag zum Verhalten Russlands in der Ukraine-Krise: „Es gibt Realitäten, denen wir lieber nicht in die Augen schauen. Seit dem Fall der Mauer in Europa haben wir uns von der Idee einlullen lassen, dass sich unser Teil der Welt grundlegend verändert hat. Wir dachten, wir lebten in einer postmodernen Ära, wo „soft power“ die harte Macht ersetzt hat und wo territoriale Streitigkeiten (...) auf Grundlage der internationalen Rechtsordnung geregelt werden. Diese Vorstellung hat der russische Präsident Wladimir Putin nun durchlöchert. (?) Viele glauben nicht, dass Putin einen Krieg
im Baltikum beginnt. Die haben es nicht verstanden. Natürlich ist er dazu bereit. Aus russischer Sicht ist Macht nicht etwas, was man hat. Man muss sie sich nehmen.“ (dpa)
Ukraine ist nicht reif für Nato-Beitritt
Die linksliberale slowakische Tageszeitung „Pravda“ warnt davor, die Ukraine voreilig in die Nato aufzunehmen: „Die heutige Ukraine passt nicht in die Nato. Nicht aus Rücksicht auf Putin, sondern wegen ihrer selbst. Wenn wir auf die Regierungsbeteiligung der unappetitlich xenophoben Freiheitspartei und die Präsenz gewalttätiger Rechtsextremisten in den ukrainischen Sicherheitskräften sowie den von Kiew tolerierten Kampfeinsatz von Neonazis schauen, wartet noch ein langer Weg auf sie. Die jetzige Tragödie darf keine Abkürzung sein, die ihr politische Reformen erspart.“ (dpa)
Putins Plan löst den Ostukraine-Konflikt nicht
Zu den Friedensplänen für den Konflikt in der Ostukraine schreibt die Moskauer Tageszeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag: „Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Kremlchef Wladimir Putin haben verschiedene Friedenspläne. Während Kiew von einer äußeren (russischen) Aggression spricht, hält Moskau die Krise für einen inneren Bürgerkonflikt. Die Ukraine und der Westen gehen davon aus, dass die Separatisten von Moskau aus kommandiert und kontrolliert werden. Russland wiederum behauptet, die Aufständischen nur zu diesen oder jenen Handlungen aufrufen zu können - ohne sie zu steuern. Der Plan Putins ist also noch kein „Fahrplan“ für einen Weg zum Waffenstillstand. Der Kremlchef hat im Grunde nur Bedingungen formuliert, die einen Krieg verhindern könnten. Und auch wenn die sieben aufgeführten Punkte erfüllt würden, dann wäre der Konflikt lediglich eingefroren, aber nicht entschieden.“ (dpa)
USA garantieren Schutz für baltische Staaten
Zum Besuch von US-Präsident Barack Obama in Tallinn unmittelbar vor dem Nato-Gipfel schreibt die national-konservative lettische Tageszeitung „Latvijas Avize“ am Donnerstag: „Im Zusammenhang mit Barack Obamas Besuch in Tallinn wurde häufig über die davon ausgehenden Signale und Botschaften gesprochen. Interessanterweise besuchte vor fast genau 20 Jahren Bill Clinton im Juli 1994 Riga. Nachdem es kurz zuvor eine Vereinbarung über den Abzug der letzten russischen Truppen aus Lettland gegeben hatte, bestätigte Clintons Besuch den Beginn der Rückkehr der wieder unabhängig gewordenen baltischen Staaten in the westliche Politiksphäre. Obamas Zwischenlandung in Tallinn - auf dem Weg zum Nato-Gipfel in Wales - bestätigte nun, dass die von den baltischen Staaten getroffene Entscheidung verteidigt wird.“ (dpa)
Firmen müssen für Sanktionen auf Umsatz verzichten
Die liberale slowakische Tageszeitung „Sme“ kritisiert den Widerstand der slowakischen Regierung und Unternehmerverbände gegen verschärfte Sanktionen gegen Russland: „Die Firmen befürchten, dass sie weniger
Äpfel oder Stahlrohre verkaufen. Sie brauchen einen stabilen und vorhersehbaren Markt ohne künstliche Eingriffe, wie sie Sanktionen nun einmal darstellen. Trotzdem ist ihr lautes Nein zu den Sanktionen kurzsichtig und dumm, wenn immer schwerer ein Unterschied zwischen Putin und Hitler zu finden ist und die Welt überlegt, wie sie den verrückten Diktator aufhalten soll, ohne einen Krieg zu entfesseln.“ (dpa)
Ukraine-Krise hat Sicherheit in Europa verändert
Die liberale schwedische Tageszeitung „Sydsvenskan“ (Malmö) schreibt über die Ukrainekrise: „Der Krieg in der Ukraine beinhaltet eine grundlegende Veränderung der sicherheitspolitischen Lage in Europa. Als eigentlicher Startpunkt dafür muss der Krieg zwischen Russland und Georgien 2008 angesehen werden. Den meisten, die davon nicht direkt berührt waren, gelang es, ihn schnell zu verdrängen. Aber jetzt gibt es keinen Raum mehr für Zweifel und Selbstbetrug. Russlands politische Führung mit Putin an der Spitze hat der Außenwelt mit der Annexion der Krim-Halbinsel und der direkten und unverhohlenen Einmischung in der Ukraine deutlich gemacht, dass es sich nicht an internationale Abkommen und grundlegende Regeln und Prinzipien des Völkerrechts gebunden sieht. (...) Die Legitimität und das Wertesystem der EU, und damit sein Wesen, sind von innen und außen infrage gestellt.“ (dpa)
Die Niederlage der Diplomatie
Die linksliberale römische Tageszeitung „La Repubblica“ schreibt zu den Entwicklungen in der Ukrainekrise und den bevorstehenden Nato-Gipfel: „Die Nato bereitet sich darauf vor, ein Tabu zu brechen, das seit dem Ende des
Kalten Krieges vor 25 Jahren nicht diskutiert wurde: die eigene militärische Verteidigung als Schutz gegen Russland zu verstärken und auszuweiten. Das wird eine etwas mehr als symbolische Geste sein. Es könnte Konsequenzen haben, die schwierig vorhersehbar sind, sei es auf die Ukrainekrise oder auf die ohnehin sehr angespannten Beziehungen zu Moskau. (...) Aus der Sicht Russlands bedeutet dies ein Verstoß gegen die Abmachungen und eine Bedrohung der Sicherheit Moskaus. Der Kreml hat bereits angekündigt, darauf mit einer Änderung der eigenen Militärstrategien gegen die Nato reagieren zu wollen.“ (dpa)
Verhandlungen mit Putin haben nichts gebracht
Zu Forderungen nach mehr Verständnis für das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegenüber der Ukraine meint die Wiener Tageszeitung „Der Standard“: „Die Aufgabe der unabhängigen Qualitätspresse ist es, Fakten einzuordnen. Es liegt das Faktum vor, dass Putin die Emanzipation der Ukraine aus seinem Machtbereich nicht dulden will und dafür immer unverhohlener Gewalt und auch russisches Militär (in verdeckter Form) einsetzt. (...) Nun kann man natürlich meinen, man müsse mit Putin verhandeln. Es ist geschehen und hat bisher absolut nichts gebracht, außer Putins Drohung gegenüber EU-Präsident Barroso, er könne „in zwei Wochen Kiew
einnehmen“. Oder man kann meinen, diese Gewaltmaßnahmen stünden Russland zu, da es ein Recht auf die Ukraine als Einflusssphäre habe. Dann stellt sich allerdings die Frage, wo das aufhört.“ (dpa)