Autobahngesellschaft: Privatisierungsbremsen ins Grundgesetz?
Demnächst muss der Bundestag über die neue Bundesautobahngesellschaft entscheiden. In der SPD-Fraktion gibt es immer noch erhebliche Bedenken - Experten stützen sie.
"Wir wollen jetzt keine Privatisierung, wir wollen sie aber auch nicht für die kommenden hundert Jahre ausschließen." Der Satz stammt von Werner Gatzer, dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Der Sozialdemokrat hat damit im vorigen Jahr die Linie der Bundesregierung bei der Gründung der Bundesautobahngesellschaft umrissen, welche künftig die Bundesfernstraßen planen, bauen und verwalten soll. Sie soll in privatrechtlicher Form entstehen, die Umwandlung zur Aktiengesellschaft (wie bei der Deutsche Bahn AG) ist möglich. Der Gesetzentwurf der Regierung, über den der Bundestag bald entscheiden muss, lässt für die Zukunft einiges offen, was in Richtung Privatisierung von Autobahnen geht. Daran ändert offenbar auch der Beschluss des Koalitionsausschusses von Ende März wenig, in dem nochmals festgehalten wird, dass es keine Privatisierung von Bundesstraßen geben soll, dass der Bund das „unveräußerliche Eigentum“ an der Infrastrukturgesellschaft (so der offizielle Name) und auch an deren Tochtergesellschaften habe, dass die Gesellschaft keine staatlichen Altschulden übertragen bekommt und dass die umstrittenen öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) „im Gesamtnetz und bei Teilnetzen ausgeschlossen“ sind. Sie soll es, wie bisher, nur als Einzelprojekte geben. „Der Bundestag wird bei der Gründung und Kontrolle der Gesellschaft eng eingebunden“, heißt es im Koalitionsbeschluss weiter.
"Vier Hintertüren"
Im Parlament gibt es nach wie vor Zweifel, ob diese Formulierungen wirklich eine spätere breite Privatisierung – nicht durch Verkauf, wohl aber durch Vergabe an private Betreiber - verhindern. Diese Zweifel werden durch die Einschätzungen von Experten bestätigt, die schon in den Anhörungen im Bundestag vor drei Wochen zur Sprache kamen. Der Verkehrsökonom Thorsten Beckers und der Freiburger Rechtsanwalt Holger Weiß kommen in einer Stellungnahme für den SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Groß zum Schluss, dass es weiterhin „vier Hintertüren“ gebe, mit denen die im Koalitionsbeschluss angeführten Privatisierungsschranken umgangen werden können. Sie sollten daher grundgesetzlich ausgeschlossen werden. Das gelte für die Beschaffung im Rahmen von ÖPP, für die mittelbare Beteiligung von Privaten als stille Gesellschafter oder über Finanzierungsinstrumente und die Privatisierung von Tochtergesellschaften. Einfachgesetzliche Regelungen taugen laut Beckers und Weiß als Privatisierungsbremsen nicht, weil jede einfache Bundestagsmehrheit sie wieder ändern kann. Damit wäre zukünftig „unkompliziert“ eine Privatisierung oder auch eine privatisierungsähnliche Lösung bei den Bundesautobahnen möglich. Nach der Stellungnahme ist der Einfluss von Bundestag und Bundesrechnungshof auf die ÖPP-Projekte zu gering und nimmt den Abgeordneten vor allem den Einfluss darauf, welche Investitionen mit Vorrang betrieben werden sollen. Beckers und Weiß empfehlen auch, die Kapitalaufnahme der Autobahngesellschaft mit einer Staatsgarantie zu unterlegen und das ebenfalls im Grundgesetz zu verankern. Damit würden die Kreditkosten geringer. Der Saarbrücker Rechtsprofessor Christoph Göpl schlägt in einer weiteren Stellungnahme vor, die Verschuldungsfähigkeit der Autobahngesellschaft einzuschränken. Daher solle grundgesetzlich ausgeschlossen werden, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Autobahnen auf die Gesellschaft übertragen werden kann.
"Wenn der Anspruch ernst gemeint ist..."
Groß erwartet, dass nun in der SPD-Fraktion auch im Detail darüber gesprochen wird, wie man die möglichen Hintertüren schleißt. „Wenn der Anspruch ernst gemeint ist, dass es zu keinen Privatisierungen kommen soll, und davon gehe ich aus, dann muss man das gegebenenfalls auch grundgesetzlich sicherstellen“, sagte Groß dem Tagesspiegel. Die Parlamentarische Linke in der SPD-Fraktion verfolgt die Debatte um die Autobahngesellschaft seit Beginn an kritisch. Im Dezember beschloss die Gruppierung mit Blick auf die Gründung der Gesellschaft: "Einen Umbau des jetzigen Systems kann es nur geben, wenn sichergestellt ist, dass spätere Privatisierungen unumstößlich ausgeschlossen werden und die öffentliche Hand ausreichend Eingriffsrechte behält." Der Berliner SPD-Landesverband stellte sich Anfang April dahinter. Er verlangte von Bundestag und Bundesrat, "jede Form der Privatisierung von Autobahnen zu verhindern". Auch in der Unions-Fraktion waren nach den Anhörungen im Bundestag Zweifel aufgekommen. Vorentscheidungen werden im Bundestag wohl in der kommenden Woche fallen. Im Mai soll das Parlament dann die Einrichtung der Bundesautobahngesellschaft beschließen. Die künftige Pkw-Maut soll der Autobahngesellschaft zufließen.
Albert Funk
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