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Autobahnbau ist teuer - die Maut soll zusätzliches Geld bringen.
© Markus Scholz/dpa

Autobahngesellschaft des Bundes: Umsatzsteuer auf die Pkw-Maut?

Die Maut soll in einigen Jahren von der geplanten Autobahngesellschaft eingenommen werden. Experten warnen vor einer zu weit gehenden Privatisierungsstrategie.

Der Bundestag hat die auf Wunsch der EU-Kommission nachgebesserte Pkw-Maut – offiziell „Infrastrukturabgabe“ genannt - am vorigen Freitag beschlossen. An diesem Freitag ist der Bundesrat an der Reihe. Ob er den Vermittlungsausschuss anruft, und ob es dann um das ganze Gesetz geht oder nur die von den Ländern geforderten Ausnahmen für Ausländer im kleinen Grenzverkehr – vorläufig unklar. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schaut schon weiter nach vorn. Sein nächstes Projekt ist die Infrastrukturgesellschaft des Bundes, auch Bundesautobahngesellschaft genannt. Sie soll die Empfängerin der Mauteinnahmen sein (auch aus der Lkw-Maut), um mit dem Geld vor allem den Erhalt der Autobahnen, zu sichern aber auch Ausbau- und Neubauprojekte voranzubringen. Deshalb sollen die Länder ihre Fernstraßenverwaltungen aufteilen und Personal an den Bund abtreten, der dann allein für die Autobahnen zuständig sein will, während die Länder sich um ihre Bundesstraßen kümmern. Das Ende der Fernstraßenverwaltung durch die Länder im Auftrag des Bundes ist Teil des Bund-Länder-Finanzpakets, das demnächst verabschiedet werden soll und auch den neuen Finanzausgleich regelt.

Deutsche Autobahn AG?

Was sich pragmatisch anhört, könnte sich aber auch zu einem großen Privatisierungsprogramm auswachsen – mit dem Ziel, letztlich den gesamten Betrieb der Autobahnen einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft zu übertragen (wie in Österreich) oder gar über Konzessionen an Straßenbaukonzerne zu vergeben, wie das in Frankreich der Fall ist. Nach dem Gesetz ist das nicht ausgeschlossen. Es könnte, jedenfalls mittelfristig, eine Deutsche Autobahn AG ähnlich der Deutschen Bahn AG geben. Möglich ist auch, dass es zu einer Reihe von privaten Autobahngesellschaften in Form öffentlich-privater Partnerschaften kommt, die das Autobahnnetz quasi unter sich aufteilen. Ob so oder so – die Höhe der Mautgebühren würde dann nicht vom Bundestag bestimmt, sondern von der mehr oder weniger privaten Gesellschaft. Je nachdem, wie stark der Einfluss privater Partnerfirmen und Geldgeber in dem Konstrukt ist, würden deren Renditeerwartungen in die Mautkalkulation einfließen. In Frankreich liegen die Umsatzrenditen der privaten Autobahnbetreiber nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes bei bis zu 20 Prozent.

"Überraschungen" im Begleitgesetz

An diesem Montag wird der Haushaltsausschuss des Bundestags einige Experten dazu anhören. Unter ihnen ist der Saarbrücker Rechtsprofessor Christoph Gröpl, der vor einigen Jahren die erfolgreichen Verfassungsklagen der schwarz-gelben Landtagsopposition in Nordrhein-Westfalen gegen die rot-grüne Haushaltspolitik vertreten hat. Gröpl hat auch das umfangreiche Begleitgesetz zu den vorgesehenen Grundgesetzänderungen für die Autobahngesellschaft durchforstet und kommt zu dem Schluss, dass der Entwurf „Überraschungen“ enthalte. „Sie geben Anlass zur Sorge, dass die Übertragung der Autobahnverwaltung auf den Bund die Türe zu einer Privatisierung in einem Ausmaß aufstößt, die in diesem Umfang in der Öffentlichkeit nicht erahnt wird.“ Denn der Entwurf ermöglicht eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Autobahnen auf die Gesellschaft, auch wenn ein direkter Verkauf an Private ausgeschlossen werden soll. Die Gesellschaft soll jedoch „Infrastrukturanbieterin“ sein, der die Einnahmen aus der Maut dann auch „aus eigenem Recht“ zufließen sollen – ohne Umweg über den Bundeshaushalt. Gröpl kommt zum Schluss: „Angepeilt wird also offensichtlich eine Form der Privatisierung, die über eine – in der Öffentlichkeit kommunizierte – formelle und funktionale Privatisierung weit hinausreicht und in der Sache von einer materiellen Privatisierung nicht weit entfernt ist“. Eine formelle Privatisierung bedeutete im Fall der Autobahngesellschaft, dass der Bund nur eine privatrechtliche Form wählt, aber ansonsten den Hut aufbehält. Funktionale Privatisierung liefe darauf hinaus, sich Privatfirmen als Partner mit ins Boot zu holen – eben in öffentlich-privaten Partnerschaften, die heute schon für das Planen und Bauen von Autobahnabschnitten genutzt werden. Materielle Privatisierung bedeutet, dass der Staat sich von seinem Eigentum trennt, also die Autobahnen praktisch verkauft. Nach Gröpls Darstellung unterlaufen die Regelungen des Begleitgesetzes also praktisch die geplante Grundgesetzänderung, wonach der Staat Eigentümer der Autobahnen bleiben soll. Mit der Möglichkeit, regionale Tochterfirmen zu gründen, wird laut Gröpl der Weg zum „Autobahnkonzern“ eröffnet.

Parlament verliert Einfluss

Laut Gröpl verliert der Bundestag in der angepeilten Form der Autobahngesellschaft seine haushaltsrechtlichen „Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten“, Vertreter des Bundes in der Gesellschaft wäre allein das Bundesverkehrsministerium. Zudem solle die Gesellschaft so ausgestaltet werden, dass sie sich eigenständig verschulden kann. Damit wäre ein Großteil der Straßenbaufinanzierung im Gegensatz zu heute nicht mehr dem Staat zuzurechnen. Die Schulden der Autobahngesellschaft würden also nicht auf die europäischen und innerstaatlichen Schuldengrenzen angerechnet. Bei der österreichischen Autobahngesellschaft Asfinag ist das auch der Fall. Gröpl sieht hier jedoch die Gefahr der Verfassungswidrigkeit. Zudem, und damit wird es kurios, könnte es dazu kommen, dass in einigen Jahren, abhängig von der Gesellschaftsstruktur, auf die Maut auch Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent fällig wird – „was die Abgabenbelastung für die Autobahnnutzer entsprechend erhöhen würde“, wie Gröpl nüchtern feststellt.

Auch der Frankfurter Staatsrechtler Georg Hermes kommt zu dem Schluss, dass der Regierungsentwurf zur Autobahngesellschaft Konstruktionen erlaube, „die von dem privatrechtlichen Straßeneigentum der Bundesrepublik Deutschland kaum mehr als eine leere Hülle übrig lassen“. Er kritisiert zudem, dass die Infrastrukturgesellschaft Kredite ohne Staatshaftung aufnehmen können soll – „und zwar zu Bedingungen, die aus der Sicht der Nutzer und Steuerzahler ungünstiger sind als im Falle einer Kreditaufnahme durch den Bund“. Denn eine Privatgesellschaft zahlt immer mehr Zinsen als der Staat. Der Berliner Verkehrswissenschaftler Thorsten Becker empfiehlt daher eine Haftungszusage des Bundes. Er weist auch auf die Möglichkeit hin, dass der Bund eigene Schulden an die Gesellschaft übertragen könnte, sich also entlastet. Beckers fordert, eine solche „Gründungsverschuldung“ in der Verfassung auszuschließen. Außerdem schlägt er vor, die Einbeziehung Privater an enge Voraussetzungen zu binden und diese im Grundgesetz zu verankern. So soll vermieden werden, dass große Teilnetze des Autobahnsystems dauerhaft in die Hände von Privatfirmen kommt.

Grüne: Teures Geschenk für Finanzbranche

Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler hofft, dass die Pläne der Bundesregierung im Bundestag keine Mehrheit finden. „Die derzeitigen Gesetzesentwürfe ermöglichen auf mehreren Wegen eine Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür“, sagte er dem Tagesspiegel. „Die Bundesregierung möchte gerne den Banken und Versicherungen ein großes Geschenk überreichen.“ Dieses Geschenk sei aber sehr teuer, denn die Renditen der Finanzindustrie sollten am Ende alle Autofahrer bezahlen, über eine hohe Maut. „Das muss unbedingt verhindert werden. Diese Gesellschaft darf so nicht beschlossen werden."

Dass die Befürchtungen der Experten und der Bundestagsopposition keineswegs übertrieben sind, zeigt eine "gutachtliche Stellungnahme" der Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen für das Bundesverkehrsministerium vom 10. März - schon im Titel ist dort von einer "privatwirtschaftlich agierenden Verkehrsinfrastrukturgesellschaft" die Rede. Diese wird in dem 564-Seiten-Papier als Ziel der Umstellung der Fernstraßenverwaltung angenommen. Eine solche Autobahngesellschaft, möglicherweise in Form einer Aktiengesellschaft, soll sich am Ende nur noch aus Mauteinnahmen und Krediten finanzieren, völlig unabhängig vom Bundeshaushalt. Zahlungen aus dem Bundesetat sind nur in der Anfangszeit bis maximal 2028 vorgesehen. Die Höhe der Maut für Lkw und Pkw, die ab 2020 erhoben werden soll, könnte dann zwar theoretisch noch der Bundestag bestimmen, aber da sie kostendeckend sein soll, wäre er dabei auf die Berechnungen und Angaben der Autobahngesellschaft abhängig - sie könnte sich die Mauthöhe quasi bestellen.

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