Steinmeiers überraschender Appell:: „Präsident Putin, lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine!“
Nach seiner Wiederwahl warnt der Bundespräsident Moskau, die Stärke westlicher Demokratien zu unterschätzen, und verspricht Bündnistreue.
Der wiedergewählte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin in bemerkenswerter Deutlichkeit für die gefährliche Zuspitzung des Ukraine-Konflikts verantwortlich gemacht. „Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt“, sagte Steinmeier am Sonntag nach seiner Wiederwahl. In der Bundesversammlung hatte er 1045 von 1425 Stimmen erhalten.
Russlands Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine könne man nicht missverstehen. „Es ist eine Bedrohung der Ukraine und soll es ja auch sein“, erklärte Steinmeier, der in der Vergangenheit oft Deutschlands besondere Verantwortung für einen Ausgleich mit Russland betont hatte. Deutschland bekenne sich „ohne jede Zweideutigkeit“ zu seinen Verpflichtungen im Nato-Bündnis, versicherte das Staatsoberhaupt.
Der russische Präsident solle nicht den Fehler machen, die „Stärke der Demokratie“ zu unterschätzen, warnte er. Washington, Paris und Berlin wollten übereinstimmend „friedliche Nachbarschaft im gegenseitigen Respekt“.
Putin-Berater nennt US-Warnungen vor Krieg "Hysterie"
In den vergangenen Tagen hat sich die Krise um Russlands Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine dramatisch verschärft. Westliche Staaten fordern ihre Staatsbürger zum Verlassen der Ukraine auf. Russland hält ein großes Militärmanöver in Belarus ab, die USA stocken ihre Truppen in Polen um 3000 weitere Soldaten auf. Putins außenpolitischer Berater, Juri Uschakow, bezeichnete US-Warnungen vor einem Angriff als „Hysterie“.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist an diesem Montag zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij nach Kiew und am Dienstag zu Verhandlungen mit Putin nach Moskau. „In beiden Fällen geht es darum, wie wir den Frieden in Europa sichern können“, sagte Scholz am Sonntag. Bei Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch russisches Militär werde es zu „harten Reaktionen und Sanktionen“ des geeinten westlichen Bündnisses kommen.
Der Kanzler wird bei seinem Besuch in der Ukraine voraussichtlich keine Zusagen zur Lieferung von Waffen machen. Eine ukrainische Anforderungsliste werde weiter geprüft, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin. Für Montag sei dazu allerdings „noch nichts zu erwarten“.
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Die Bundesregierung versucht, die Erwartungen an die Reise nach Moskau zu dämpfen. Sie sei kein „letzter Versuch“, einen Krieg abzuwenden, hieß es. Auch die Geheimdienste würden nicht sagen, dass ein russischer Angriff auf jeden Fall bevorstehe. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte im TV-Sender RTL/ntv: „Es kann sein, dass wir kurz vor einem Krieg in Europa stehen“. Dies sei „absolut bedrückend und bedrohlich“, meinte der Wirtschaftsminister.