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Präsident Nicolas Maduro mit der Nationalflagge Venezuelas.
© AFP

Wahl in Venezuela: Präsident Maduro will eine diktatorische Verfassung

Bürgerkrieg, Massenflucht, Diktatur? In Venezuela sind die Szenarien alle düster. An diesem Sonntag kommt es mit einer umstrittenen Wahl zum Showdown.

Nicolas Maduro ist ein Meister der Inszenierung. Der Präsident Venezuelas steht, natürlich im roten Hemd, auf der Bühne der Avenida Bolivar, nimmt ein Fernglas und schaut auf die Massen in rot. Die Botschaft: Wir sind viele, die Mehrheit, im Kampf gegen einen Putsch von rechts. Doch der Schein trügt. Andere Bilder aus umliegenden Hochhäusern zeigen, dass die Masse gar nicht so groß ist.

Es ist die Abschlusskundgebung für eine Wahl am Sonntag, die bereits zu Hamsterkäufen geführt hat. Maduro will die Verfassung ändern lassen, viele fürchten den Umbau zur Diktatur. Die US-Regierung hat Familien von Diplomaten nun zum Verlassen des Landes aufgefordert. 232.000 Soldaten sind zum Einsatz gerufen worden. Viele fürchten, dass die Wahl der Funken sein könnte, der das Pulverfass Caracas endgültig explodieren lässt. Seit rund 120 Tagen wird gegen Maduro demonstriert. Die dramatische Bilanz: 112 Tote, Tausende Verletzte.

Es kursieren Videos, da tanzt Maduro im Staats-TV Salsa, während draußen Gegner mit Tränengas und Panzerwagen angegriffen werden. Seine ganze Hilflosigkeit bei der Bewältigung der kolossalen Krise zeigte sich 2016, als der Strom ausging: Maduro riet den Frauen, auf das Föhnen zu verzichten. Dabei ist das Land enorm reich, hat die größten Ölreserven der Welt. Der Präsident verließ sich allein auf das Ölgeschäft, daher kommen 95 Prozent der Exporteinnahmen. Als der Preis auf zeitweise 30 US-Dollar abrauschte, wurde das zum Fluch.

Maduro kreiert Feindbilder, um seine Macht zu retten. „Das Volk und die Arbeiterklasse werden diese Bedrohung durch die Vögel Hitlers besiegen“, ruft Maduro auf der Avenida Bolívar. Das Volk, das sind für ihn seine Anhänger. Der frühere Busfahrer greift im Kampf um das Sozialismusprojekt nun zum Säbel. Als US-Präsident Donald Trump 13 sozialistische Funktionäre mit Sanktionen belegen und US-Konten einfrieren ließ, schenkte Maduro allen 13 eine Replik eines Säbels von Simón Bolívar, dem Befreier von der spanischen Kolonialmacht.

Venezuela ist längst tief gespalten

Mit dem Säbel will Maduro nun auch die Verfassung bearbeiten, die von seinem Mentor und Vorgänger Hugo Chavez entworfen und vom Volk beschlossen worden war. Am Sonntag werden die 545 Mitglieder gewählt, die die neue Verfassung erarbeiten sollen. Per Dekret hat der Mann mit dem Schnauzer festgelegt, dass die Mehrheit „Volksvertreter“ sein sollen, die den Sozialisten nahestehen. Auch seine Frau Cilia Flores steht dabei zur Wahl. Ihm geht es vor allem um eine Einschränkung des Parlaments, wo das aus 20 Partein bestehende Oppositions-Bündnis „Mesa de la Unidad Democrática“ (MUD) eine deutliche Mehrheit hat.

Seit Monaten gibt es gewaltsame Proteste gegen die Regierung.
Seit Monaten gibt es gewaltsame Proteste gegen die Regierung.
© AFP

19,4 Millionen sind zur Wahl aufgerufen. Spannend wird dabei die Beteiligung, der Lackmustest für Maduro. Die Opposition will die Wahl boykottieren. In einem der seltenen Interviews sagte der Präsident dem russischen Sender RT mit Blick auf die Opposition und die USA, die er gemeinsamer Umsturzpläne bezichtigt: „Wenn Venezuela gespalten wird, wenn die sozialistische Revolution gezwungen ist, zu den Waffen zu greifen, werden wir über die Grenzen hinaus wieder unter gemeinsamer Flagge kämpfen.“ 500.000 Milizen hat er bewaffnen lassen.

Die USA drohen mit dem Stopp der Ölimporte

Die Wahrheit ist: Venezuela ist längst tief gespalten. Schlägerbanden greifen auf Motorrädern immer wieder Demonstranten an, sogar das Parlament wurde gestürmt, Abgeordnete wurden blutig geschlagen. Selbst der Vatikan ist mit einer Vermittlung gescheitert. Mit dem Säbel rasseln inzwischen auch Maduros Gegner. Gerade junge Demonstranten werden immer militanter. Zudem gibt es keinen klaren Führungskopf. Vielleicht war es ein kluger Schachzug der Regierung, den inhaftierten Chef der Partei Voluntad Popular, Leopoldo López, in den Hausarrest zu entlassen. Er macht Henrique Capriles, der Maduro 2013 nur ganz knapp bei der Präsidentschaftswahl unterlegen war, nun die Führungsrolle streitig. Es gibt auch Konflikte über die Taktik.

Die Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Demonstranten vor.
Die Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Demonstranten vor.
© AFP

Wenn die Verfassung hin zu einem diktatorischen Modell geändert würde, könne ein Bürgerkrieg ausbrechen, so wird befürchtet. Oder aber die Opposition könne resignieren und ein Exodus einsetzen. Die USA drohen mit dem Stopp der Ölimporte, sie sind größter Abnehmer. Das würde aber auch das Elend der normalen Bevölkerung vergrößern.

Maduro hat nicht das Charisma des 2013 verstorbenen Chavez, genießt aber bei den Armen, die durch die Sozialisten erstmals echte Unterstützung erfuhren, viel Rückhalt. Sein Trumpf: Er alimentierte das Militär, das weite Zweige der Wirtschaft dominiert. Aber da der Bolivar massiv an Wert verliert und hohe Schulden zu bedienen sind, fehlen Gelder, um Lebensmittel- und Medizinimporte zu bezahlen.

Die Kindersterblichkeit ist um 30 Prozent gestiegen

Auf den Müllkippen um Caracas sind in der Abenddämmerung Hunderte Menschen zu sehen, die mit der einen Hand im Müll nach Essen suchen und mit der anderen die Geier verscheuchen. Die Kindersterblichkeit ist um 30 Prozent gestiegen. Als Gesundheitsministerin Antonieta Caporale diese Zahlen im Mai veröffentlichte, wurde sie gefeuert.

Um einen Eindruck der Tragödie zu bekommen, empfiehlt sich eine Reise an die Grenzbrücke Simon Bolívar im Westen. „Am Montag haben wir den Grenzübertritt von 26.000 Personen registriert“, sagt der Direktor der kolumbianischen Migrationsbehörde, Christian Krüger. Sie kaufen dort massenhaft Lebensmittel ein, Frauen lassen sich sogar die Haare abschneiden, dafür gibt es 20 bis 30 Euro. In Kolumbien werden damit natürliche Haarverlängerungen gemacht. Zwar gehen die meisten wieder zurück nach Venezuela, aber mittlerweile leben 250.000 Venezolaner illegal in Kolumbien. Und das könnte erst der Anfang sein. (dpa)

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