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Kanzlerin Merkel ist zufrieden mit Hollandes harter innenpolitischer Reaktion.
© dpa

Regierungsauflösung in Frankreich: Präsident Francois Hollande will seine Kritiker loswerden

Weil sie angeblich nicht hinter seinen Leitlinien steht, will Hollande seine Regierung umbesetzen. Geht der Plan auf?

Das hat es in Frankreich noch nicht gegeben. Noch ist die Sommerpause, die das Land jedes Jahr im August lähmt, nicht zu Ende, das öffentliche Leben noch nicht wieder in Fahrt gekommen und die Politik noch in den Ferien. Da überrascht Präsident François Hollande die Franzosen mit einem Paukenschlag. Auf seinen Wunsch hin reichte Premierminister Manuel Valls am Montagmorgen den Rücktritt seiner Regierung ein. Der Regierungschef, der erst vor fünf Monaten mit einem „Kampfkabinett“ angetreten war, wurde vom sozialistischen Präsidenten umgehend wieder zum Premierminister ernannt und mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Diese soll, wie es in einer Mitteilung des Elysée-Palastes hieß, „in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen“ stehen, die der Präsident für Frankreich festgelegt hat.

Kam der Rücktritt der Regierung überraschend?

Die Botschaft dieser ungewöhnlichen Inszenierung ist unmissverständlich. Es ist eine Warnung an alle jene in Regierung und Sozialistischer Partei, die sich gegen Hollandes Wirtschaftspolitik auflehnen, gegen den Sparkurs, den er zur Sanierung der maroden öffentlichen Finanzen den Franzosen auferlegt hat. Noch am Tag des Rücktritts der Regierung wollte Valls die Mitglieder der bisherigen Regierung einzeln in seinem Amtssitz empfangen, um sie zu befragen, wie sie zu den Vorgaben des Präsidenten stehen. Vom Ausgang dieser Unterredungen sollte es abhängen, wer am heutigen Dienstag dem neuen Kabinett angehören wird. Einer dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr dabei sein: Arnaud Montebourg, der bisherige Wirtschaftsminister (siehe Kasten).

Mit einem Frontalangriff auf die Politik Hollandes hatte Montebourg diese Regierungskrise provoziert. Bei einem Sommerfest der Sozialisten in seinem Wahlkreis in Burgund hatte er am Wochenende die Politik der Regierung grundsätzlich angegriffen und Deutschland als verantwortlich für die Krise attackiert. „Angesichts der ernsten Wirtschaftslage hat der Wirtschaftsminister die Pflicht, alternative Lösungen vorzuschlagen“, hatte er sich dort vor seinen Zuhörern gerechtfertigt.

Bislang hatte Hollande seinen Kritiker Montebourg weitgehend gewähren lassen – wohl in der Annahme, dass der Widerspenstige in der Regierung besser zu ertragen sei als außerhalb. Doch in der vergangenen Woche hatte der Wirtschaftsminister in der Kabinettssitzung die Forderung nach einem Kurswechsel wieder einmal so hartnäckig vertreten, dass der Premierminister die Debatte entnervt mit den Worten „es reicht“ beendete. In einem Zeitungsinterview legte Montebourg dann nach. Der rasche Abbau der Defizite sei eine Absurdität, die nur zu mehr Arbeitslosigkeit führe und die Europäer den extremistischen Parteien zutreibe, erklärte er dort. Gegenüber Deutschland, das sich in der Sparpolitik gefangen habe, die es ganz Europa aufgezwungen habe, gelte es jetzt „andere Töne“ anzuschlagen. „Wir können uns das nicht weiter gefallen lassen.“

Bisher hatten Hollande und Valls, die jetzt, wie vom Elysée betont, in „vollem Einvernehmen“ handelten, solche Auftritte des Wirtschaftsministers immer noch, wenn auch mit Stirnrunzeln, hingenommen. „Ich weiß, dass wir unsere europäischen Partner überzeugen können, dem Wachstum Priorität einzuräumen“, hatte Hollande in der vergangenen Woche noch die Kritiker zu besänftigen versucht.

Unerwartete Unterstützung für seine Forderung einer „Umorientierung der europäischen Politik“ hatte Hollande aus Bemerkungen herauslesen können, die der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, bei einem jährlichen Treffend der Notenbanker in Jackson Hole im US-Staat Wyoming gemacht hatte. Dort hatte der EZB-Präsident nicht nur einer Baisse des Euro-Dollar-Kurses – einer auch von Montebour vertretenen Forderung – das Wort geredet. Zugleich hatte sich Draghi angesichts des Nachlassens des Wachstums in der Euro-Zone auch dafür ausgesprochen, durch eine „flexiblere Budgetpolitik“ gegen die Wachstumsschwäche anzugehen und die „Belastung durch die notwendigen strukturellen Reformen zu erleichtern“. Genau darauf will Hollande bei den nächsten Treffen mit den EU-Partnern, insbesondere mit Deutschland, drängen.

Wo steht Frankreich wirtschaftlich?

Die wirtschaftliche Lage lässt Frankreich gar keine andere Wahl, als stärker auf Wachstumsimpulse zu setzen, besagt Hollandes Analyse. Das Wachstum hat sich bei null eingependelt. Die Arbeitslosigkeit steigt. Derzeit suchen 3,6 Millionen Franzosen einen Job, Tendenz steigend. Die Aussichten, das Budgetdefizit bis 2015 auf die Maastricht-Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken, sind illusionär. Nur wenn ein Wunder passiert, könnte es Paris bis Ende dieses Jahres schaffen, das Defizit auf die versprochenen 3,8 Prozent zu senken.

Dabei hat Hollande große Anstrengungen unternommen, Frankreich wieder auf Kurs zu bringen. Zu Beginn dieses Jahres brachte er den Vorschlag ein, die Wirtschaft über drei Jahre um 50 Milliarden Euro zu entlasten und damit wettbewerbsfähiger zu machen. In mühsamen Verhandlungen mit Gewerkschaften und Arbeitnehmern wurde der sogenannte „Verantwortungspakt“ geschlossen, der den Unternehmen Abgabenkürzungen als Gegenleistung für die Schaffung von Arbeitsplätzen bringt. Den Gewerkschaften und den Kritikern vom linken Flügel der Sozialisten war dies zu unternehmerfreundlich, weshalb die Regierung auch Abgabenerleichterungen für mittlere und kleine Haushalte vorsah. Das wurde jedoch vom Verfassungsrat als Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip verworfen. Nun muss die Regierung sich etwas Neues einfallen lassen, damit der Pakt mit den Arbeitgebern 2015 wie geplant starten kann.

Angela Merkel verbündet sich mit Spanien gegen Frankreich

Was bedeutet diese Krise für Hollande?

Präsident Hollande geht es nicht nur darum, mit Unterstützung aus Brüssel und von den EU-Partnern die bisherige Sparpolitik durch eine Politik vermehrter Nachfrage durch Abgabensenkungen zu ergänzen – also die Effekte der Budgetsanierung durch Nachfrageanreize auszugleichen. Er muss auch um sein Ansehen als Politiker kämpfen. Ihm hängt der Ruf eines Zauderers an. Mit dem spektakulären Durchgreifen gegen seinen Kritiker Montebourg versucht er diesen abzuschütteln und Autorität zu beweisen. Dafür ist es höchste Zeit. Mit 17 Prozent Zustimmung ist sein Ansehen bei den Franzosen auf einen Tiefpunkt gesunken. Dem Premierminister Valls geht es mit nur noch 36 Prozent nicht viel besser.

Wie reagiert die deutsche Bundeskanzlerin auf die französische Kritik?

Niemand durfte erwarten, dass sich die Bundesregierung eine offizielle Stellungnahme zum Kabinettsrücktritt in Frankreich entlocken lassen würde. Und doch dürfte Berlin mit großem Wohlwollen verfolgt haben, wie Paris mit den scharfen Provokationen des französischen Wirtschaftsministers Montebourg an der deutschen Sparpolitik und dem Beharren auf der Einhaltung der Maastrichtkriterien umgegangen ist, nämlich mit einer Regierungsumbildung. François Hollande, dem französischen Präsidenten, jedenfalls wünschte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag Erfolg für die geplanten Reformen. Hollande, lobte Merkel, habe mutige Schritte eingeleitet. „Ich wünsche dem französischen Präsidenten allen Erfolg bei seiner Reformagenda“. Was anderes kann man daraus lesen, als dass viel dafür spricht, dass der seit Jahren schwelende Streit der Nachbarländer um den richtigen Wachstumskurs zumindest kurzfristig nicht eskalieren wird.
Die deutsche Kanzlerin übrigens nutzte am Montag ausgerechnet einen Ausflug ins spanische Santiago mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy – beide Regierungschefs haben sich vorgenommen, ein Stück des Jacobs-Weges gemeinsam zu gehen – um den Spaniern, aber auch den Franzosen, noch einmal klar ihre Sicht auf den richtigen Weg zu mehr Beschäftigung und Wachstum zu beschreiben. Sparen und Wachstumspolitik seien keine Gegensätze, sagte Merkel. „Finanzielle Solidität und Wachstumsimpulse sind zwei Seiten einer Medaille“, was so viel heißen soll, wie: Wer seinen Staatshaushalt in Ordnung hält, wird seine Wirtschaftsprobleme in den Griff bekommen.
Dass ausgerechnet der Madrider Regierungschef Merkel in dieser Ansicht unterstützt und betonte, Spanien erziele dank des Sparkurses in den vergangenen Jahren nun wieder ein wirtschaftliches Wachstum, Reformen und Anstrengungen hätten sich gelohnt, muss für Paris wie eine Provokation geklungen haben. Schließlich ist es der südliche Nachbar Spanien gewesen, der jahrelang Haushalts- und Wirtschaftsprobleme hatte und der nun über seinen Regierungschef erklären lässt, dass der in ganz Europa so stark kritisierte deutsche Sparkurs nicht zwangsläufig ins Verderben führen muss. Die in letzter Zeit auf europäischem Parkett so heftig gescholtene Bundeskanzlerin wird das zweifellos gern gehört haben. Und antwortete darauf auch gleich mit einem versöhnlichen Angebot: das deutsche Wachstum sei früher fast ausschließlich von der Exportwirtschaft getragen worden. Jetzt aber gehe das Wachstum vom Binnenkonsum aus, was eine gute Nachricht für Länder wie Spanien sei - und Frankreich. Antje Sirleschtov

Hans-Hagen Bremer

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